Veranstaltungstipp: Das neugegründete Institut für Medienkulturwissenschaft in Freiburg lädt zu einer Tagung über die kulturelle Formung und gesellschaftliche Neugestaltung des Umgangs mit den sogenannten „neuesten Medien“ ein, die insbesondere auf die jüngeren Entwicklungen zum Thema Kontrolle und Überwachung eingeht. Besonders bemerkenswert ist, dass hier endlich einmal der Netzdiskurs mit dem instituionalisierten Wissenschaftsdiskurs vernetzt wird: den Eröffnungsvortrag hält Michael Seeman und die Keynote Dirk Baecker. Ich muss sagen, mir fehlt diese Vernetzung in der Praxis gerade in den Geisteswissenschaften sehr, wie Michael Seeman ja auch in einem durchaus kontrovers diskutierten Beitrag angemerkt hat. Nicht kennen tat ich übrigens Sebastian Gießmann, ebenfalls von der HU Berlin, dessen Vortragsabstract sich ebenfalls vielversprechend anhört. Das ausführliche Programm findet sich hier. Gibt’s Videomitschnitte?
Aus dem Ankündigungstext: „Zugangserschwerungsgesetz, Jugendmedienschutzstaatsvertrag, Urheberrechtsnovellen, Leistungsschutzrechte, Datenvorratsspeicherung, Street View, digitaler Radiergummi, Wikileaks und viele, viele mehr: In den letzten beiden Jahren sind politische und öffentliche Debatten (keineswegs nur) in Deutschland von einer zunehmenden Aufmerksamkeit für einen aktuellen und beschleunigten medialen Wandel geprägt. Die technologischen, aber auch konventionellen und gesellschaftlichen Veränderungen, die die Einführung und Verbreitung der neuesten Medien mit sich bringen, werden als Gelegenheit, Verunsicherung, Bedrohung oder Herausforderung wahrgenommen. Mit der Bedeutung der neuesten Medien steigen auch die Reichweite ihrer Kontrolle und die Signifikanz ihrer kulturellen Gestaltung: Die Entscheidungen, die jetzt fallen, sind darauf angelegt, unsere kommunikative Lebenswelt auf absehbare Zeit zu bestimmen.
Gerade deshalb ist die Gestaltung der Rahmenbedingungen für den Gebrauch der neuesten Medien in höchstem Maße strittig: Vom Vorwurf der Zensur bis zur Warnung vor rechtsfreien Räumen erstreckt sich ein vielfältiges Spektrum an Debatten, die in einem gemeinsamen Fokus auf mediale Kontrolle zusammenfinden: Kontrolle der Medien und durch die Medien, ihre Ausweitung oder Beschränkung, ihre Möglichkeit und Unmöglichkeit, ihre staatliche Zentralisierung, ihre marktwirtschaftliche Monopolisierung oder ihre Unterwerfung gegenüber einer individuellen Autonomie, die als informationelle und mediale Selbstbestimmung konzipiert wird. Die Freiheit des Einzelnen besteht dann in der Kompetenz, die eigene kommunikative Einbeziehung möglichst weitgehend selbst zu kontrollieren. Kontrollbemühungen erscheinen in diesen Debatten ebenso als Versuche einer Antwort auf die Komplexitätssteigerung durch neueste Medien wie als ungebrochene Realisierung ihrer Möglichkeiten.
Inwiefern dabei technische Innovationen gesellschaftliche Entwicklungen vor sich hertreiben oder weiterreichende soziale Veränderungen sich in medialen Formen niederschlagen, ist nur schwer zu entscheiden. Eine Reduktion der Veränderungen und der begleitenden Diskurse allein auf technische Gegebenheiten greift aber in jedem Fall zu kurz: Die kulturelle und diskursive Formung der Technologie, die Etablierung neuer Gewohnheiten und Konzeptionen im praktischen Umgang mit Kommunikationsmedien und in der alltäglichen Kommunikation bedürfen einer differenzierten Erforschung, Beschreibung und Bewertung. Eine solche Beobachtung muß über eine Naturalisierung neuer Technologie als vermeintlich unaufhaltbarer Gang der Welt ebenso hinausgehen wie über die bloße Verteidigung traditioneller Strukturen gegen vermeintliche Störungen.“