Drei Aus­gangs­the­sen

Drei Ausgangsthesen: Aug­mented Vision zielt darauf ab, die Rede von fotographis­chen Reti­nas, kün­stlichen Augen oder sehen­den Maschi­nen zu recht­fer­ti­gen, die nicht nur das Erschei­n­ungs­bild, son­dern auch die Funk­tions­bes­tim­mung optis­cher Appa­rate von Anfang an begleitet. Anstatt jedoch danach zu Fra­gen, ob wir Sehen als ein an den Sin­nen gemesse­nen Begriff an die Appa­rate abtreten, geht es vielmehr darum eine Wahrnehmung zu erfassen, die immer weniger der visio eines Betra­chters gehorcht, son­dern zunehmend in den Appa­rat ver­lagert wird. Diese Aus­gangssi­t­u­a­tion lässt sich anhand dreier The­sen erfassen:

1. Angesichts einer Kon­tak­tauf­nahme mit der Welt, die das Sicht­bare zunehmend als Visu­al­isierung über eine tech­nis­che Schnittstelle ver­mit­telt, kann Sicht­barkeit nicht mehr allein an Fähigkeiten und Funk­tio­nen des men­schlichen Auges gemessen wer­den. Im Zuge dieser Tech­nisierung visueller Prak­tiken unter­steht visuelle Wahrnehmung zunehmend dem Ein­fluss und der Kon­trolle von Instru­menten und Appa­raten, die ihrer­seits Sicht­barkeit hervorbringen.

2. Diese Inter­ven­tion ist weniger ein Ein­griff in das Repräsen­ta­tion­ssys­tem, son­dern in das Wahrnehmungssys­tem: Es ist weniger entschei­dend, dass das Sicht­bare auf einer von der unmit­tel­baren Ebene der Wahrnehmung getren­nten Ebene neu ange­ord­net wird (dies ist auch in nicht-apparativen Struk­turierun­gen des Visuellen der Fall), son­dern dass Sehen auf einer vom Betra­chter und vom men­schlichen Auge getren­nten Ebene reor­gan­isiert wird. Diese Vari­a­tion der Modal­itäten des Sehens steht für For­men von Ein­bil­dung und, die nicht mehr Teil einer unmit­tel­baren Erfahrung oder direk­ten Anschau­ung sind.

3. Der Betra­chter muss im Zuge der verän­derten medi­alen Anord­nung seine Posi­tion als Sub­jekt der Darstel­lung aufgeben. An die Posi­tion seines Auges tritt der Appa­rat, der ihn daran hin­dert sich selbst als Teil der Darstel­lung zu begreifen. Das appa­r­a­tive Bild tritt dabei nicht nur in Konkur­renz zur unmit­tel­baren Anschau­ung, son­dern ersetzt diese als visueller Weltzu­gang: das Angeschaute wird nicht mehr gese­hen, son­dern visualisiert.

(Bild: Screenshot amazon.de Webcam-Geräte des Herstellers Creative)

Sigint 2012

Am Wochenende vom 18. bis 20. Mai 2012 findet die SIGINT in Köln statt, die vom Chaos Computer Club veranstaltet wird. Bei der SIGINT geht es um Mitwirkung und Veränderungen, um gesellschaftspolitische Forderungen und Utopien, um Hacktivismus, kreative Normverletzungen und Spaß am Gerät. Ich werde leider nicht da sein und freue mich deshalb umso mehr, dass die Vorträge aufzeichnet werden und im Anschluss auf media.ccc.de zur Verfügung stehen. So zum Beispiel hoffentlich der Vortrag von Leena Simon über „Social Swarm“ oder der von mspro über „Eigentum, Sex, Cloud„.

Aus dem Ankündigungstext: „SIGINT – in der Welt der Geheimdienste Bezeichnung für Informationsgewinnung durch das Mithören von Signalen (signal intelligence) – wird von Unix-Geeks als Kurzform von „signal interrupt“ verstanden (…). Zwischen diesen Bedeutungspolen möchte sich die Konferenz verortet wissen: verhandelt werden sollen bedeutsame Signale im Strom der Information und was diese im jeweiligen Kontext als relevant auszeichnet, was diese als wertvolle Information im chaotischen Rauschen kenntlich macht.“ (Bild: Screenshot Einladungskarte)

Das Piratische

Das Piratische ist inflationär. Es durchdringt als positive wie als negative Metapher unseren Kulturraum: Piraten entführen Containerschiffe, ihre früheren „Nester“ dienen inzwischen als Offshore-Plattformen für die neuen Finanzpiraten, Piraten entern die Popkultur (als Deppen) ebenso wie die Parlamente. Und schließlich rauben sie Dinge, die man nicht klauen kann. Im Sinne des Letzteren hat der Social Science Research Council (SSRC) gerade „Media Piracy in Emerging Economies“ herausgegeben. Anhand unterschiedlicher Facetten der Piraterie in sogenannten Schwellenländern wird die Kulturtechnik des Kopierens darin aus der Perspektive der Konsumenten zu untersuchen, anstatt aus Sicht der Produzenten. Aus dem Vorwort: „Piracy imposes an array of costs on producers and distributors—both domestic and international—but it also provides the main form of access in developing countries to a wide range of media goods, from recorded music, to film, to software.

This last point is critical to understanding the tradeoffs that define piracy and enforcement in emerging markets. The enormously successful globalization of media culture has not been accompanied by a comparable democratization of media access—at least in its legal forms. The flood of legal media goods available in high-income countries over the past two decades has been a trickle in most parts of the world.“

Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang mal das Bookmarklet Enforce von Geraldine Juarez auszuprobieren. Es hilft der Sprache etwas auf die Sprünge, damit wir das endlich mal in den Kopf bekommen.

You wouldn’t steal a car.
You wouldn’t steal a handbag.
You wouldn’t steal a mobile phone.
You wouldn’t steal a DVD.
Downloading pirated films is stealing.
Stealing is against the law.
Piracy: It’s a crime.

You wouldn’t *copy* a car.
You wouldn’t *copy* a handbag.
You wouldn’t *copy* a mobile phone.
You wouldn’t *copy* a DVD.
Downloading pirated films is *copy*ing.
*copy*ing is against the law.
Piracy: It’s *culture*.

(Bild: Screenshot Coverseite von Media Piracy in Emerging Economies, editetd by Joe Karaganis)

Data Journalism Handbook

Das Data Journalism Handbook is gerade online gegangen. Das Buch soll eine frei nutzbare Quelle und Referenz für alle sein, die sich für das sich zunehmend etablierende Feld des Datenjournalismus sein und bietet tatsächlich sowohl eine sehr gelungene Einführung in das Feld mit konkreten Fallbeispielen aus der Praxis, als auch weiter gehende Anleitungen zu Informationsbeschaffung, -verarbeitung und-distribution. Das Projekt ist ursprünglich auf einem Workshop des Mozilla Festivals 2011 in London hervorgegangen. (Bild: Buchcover von datajournalismhandbook.org)

Das Versprechen der Technik

Die neue Ausgabe der Zeitschrift „welt-sichten“ ist mit dem Schwerpunkt „Digitale Medien: Das Versprechen der Technik“ erschienen. Aus dem Ankündigungstext: „Von Computer, Handy und Internet hat man sich große Fortschritte bei der Bildung, Gesundheitsversorgung und Armutsbekämpfung in armen Ländern versprochen. Die Kommunikationstechnik allein hilft hier indes wenig. Internetplattformen durchbrechen jedoch Informationsmonopole; das begünstigt Demokratiebewegungen wie in Malaysia. Nicht nur deshalb versuchen viele Regierungen, das Netz zu zensieren.“ Es verwundert mich allerdings, dass die entwicklungspolitische Debatte sich noch immer an der Widerlegung der These abarbeitet, dass Informations- und Kommunikationstechnologien allein politische Veränderung anstoßen, wie etwa bei Kentaro Toyama. Das sind wir doch schon lange drüber hinweg…

Die Zeitschrift wird herausgegeben vom Verein zur Förderung der entwicklungspolitischen Publizistik e.V. (VFEP), dem protestantische und katholische Entwicklungswerke aus Deutschland und der Schweiz sowie ein Förderverein angehören. Leider ist ein Großteil des Contents hinter der Paywall und nur nach Abschluß eines Abos zugänglich.

Öffentlichkeit im Wandel

Just in time zur Re:peublica hat die Heinrich-Böll-Stiftung den elften Band in der Reihe Schriften zu Bildung und Kultur herausgegeben. Aus der Ankündigung: „Das veränderte Medienverhalten und der Schwund der Werbeeinnahmen in den Printmedien führen bei den Verlagen und den Sendern zu einer intensiven Suche nach neuen Verwertungs- und Distributionsmodellen. Die Öffentlichkeit ist im Wandel – nicht ohne gravierende Folgen für den Journalismus. Neue Akteure – meist ohne Zertifikat der Journalistenschulen – treten im Internet auf und verändern den professionellen Journalismus durch neue Formen.“ Dazu gibt es einige Lese- und Hörproben sowie einen Podcast von Philip Banse und Sarah Gottschalk. Den Band gibt es komplett online als Ebook PDF. (Bild: Screenshot von „Öffentlichkeit im Wandel“, Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.), Berlin 2012)

Between Social Media and Protest

Das DFG-Netzwerk Medien der kollektiven Intelligenz veranstaltet am 10. Mai eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Collaboration on the Web – Between Social Media & Protest“ mit Philippe Aigrain. Das Netzwerk untersucht Praktiken der Kooperation, die unter dem Begriff der kollektiven Intelligenz verhandelt werden und besonders die Neubestimmung des Internets als Social Web zu Beginn des 21. Jahrhunderts prägen. Aus dem Ankündigungstext der Veranstaltung: „The transformative power of social media and Web 2.0 is one of the central topoi of the beginning of the 21st century. But only recently have we seen the diversity of social processes associated with these new media and technologies, from Facebook’s (and others’) corporate re-appropriation and fencing-in of the Internet to the creative use of the same technologies to help topple oppressive regimes in North Africa.

To better understand the opportunities and contradictions offered by the new collaborative technologies, Philippe Aigrain, co-founder of «La Quadrature du Net», computer programmer, and former head of sector «Software Technologies» in the European Commission, will present his theses on the economy of sharing and talk about the current debate about intellectual property.“ Daneben gibt es statements von Sebastian Haunss, Christiane Heibach und Mirko Tobias Schäfer. 19.00 Uhr, freier Eintritt, Wolkenstein-Saal, Kulturzentrum am Münster, Konstanz. (Bild: Screenshot Ausschnitt der Einladungskarte).

 

See Through 3D Desktop

Transparenter Bildschirm von Jinha Lee und Cati Boulanger vom MIT Media Lab. Hier wird die Differenz von Bildlichkeit und visueller Wahrnehmung zunehmend unklar. Die Anwendungsgebiete dieser Technologie sehe ich aber weniger im klassischen Desktopbereich, so wie sie hier vorgeführt werden. Anstatt zweidimensionale Anwendungen ins Dreidimensionale zu übertragen, kann ich mir spannendere Anwendung für die Navigation optischer Geräte vorstellen, deren Nutzung sich ohnehin schon auf den Realraum bezieht, etwa bei Kameras oder 3D-Brillen.

Digital Development Debates

Die neue Ausgabe von Digital Development Debates ist seit April online und widment sich dem Thema „transition“. Lesenwert ist zum Beispiel der Artikel „Lost in Transition – How to Achieve Sustainable Media Development in the 21st Century“ in der Medien-Sektion von Frank Habann (Uni Offenburg). Habann geht darin der Frage nach wie sich die Indikatoren für die Messbarkeit nachhaltiger Medienentwicklung verändern, wenn „media organisations are increasingly being replaced by online-based communities“. Der digitale Medienwandel kommt bisher tatsächlich nur langsam in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit an. Zwar gibt es großartige Pilotprojekt, doch sind Methoden und Evaluationskriterien nach wie vor maßgeblich von klassischen Medienstrukturen geprägt. Das sind erste Schritte… Das Online-Magazin wird von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit herausgegeben. (Bild: Screenshot www.digital-development-debates.org)

Robot Readable World

Neues Video von Timo Arnall (Website) auf Vimeo. Arnall macht auf großartige Art und Weise digitale Räume sichtbar und macht sie damit selbst erst zu sinnlich erfahrbaren Räumen. Arnall über den Film: „This is a short film, an experiment in machine-vision footage. It uses found-footage from computer vision research to explore how machines are making sense of the world. As robots begin to inhabit the world alongside us, how do they see and gather meaning from our streets, cities, media and from us? Machines have a tiny, fractional view of our environment, that sometimes echoes our own human vision and often doesn’t.“ (Quelle) Was definiert hier Sichtbarkeit, „haben“ Maschinen einen Blick, do they „gather meaning“?