What’s the hashtag for this revolution?

Am Montag, den 28.11.2011 findet im Umweltforum in Berlin ein sicherlich spannendes Barcamp mit dem leider schrecklichen Titel „How the Internet Changes our Reality“ statt. Aus dem Ankündigungstext: „From #solidarity to #occupy, we’re seeing the power of Internet-enabled political action all around us. Individuals can organize quickly, they can unify around ideas, they can find and spread information (and misinformation) with lightning speed. It’s obvious that virtual platforms can have real-world impact, from the Maghreb to Main Street / Benghazi to Boston / Syria to Wall Street (pick whatever you like best). The use of Internet-based tools as catalysts for political activism is well-established, and its momentum is growing. How can we use these new forces in our global society to productively address the chronic problems of humanity? What are the limitations of these tools and movements? How can these new tools be used by decision-makers and others to cope with our future challenges? Where do the Internet and “real world” communities intersect, sharing real concern about the same issues? And how does this look in countries outside of Europe?“ Große Ziele für einen Tag und zugleich wenig konkretes. Aber es ist ja auch ein Barcamp, bin mal gespannt. (Und wer sind eigentich die „decision-makers“?) Organisiert wird die Veranstaltung von Googles neuem Institut für „Internet und Gesellschaft“ sowie von „future challenges“ der Bertelsmann-Stiftung. Die Teilnahme ist kostenlos, hier geht zur Registrierung.

Tracing Mobility

Am Donnerstag, den 25.11.2011 beginnt die Ausstellung Tracing Mobility im Haus der Kulturen der Welt, die untersucht „wie sich das Verhältnis zwischen globaler und individueller Mobilität, zwischen physischer und virtueller Bewegung verschiebt: Wie navigieren wir im digitalen Zeitalter, wenn online und offline-Welt zusehends verschmelzen? Welchen Stellenwert nimmt die tatsächliche Bewegung im Raum noch ein, wenn wir jeden Punkt der Erde mithilfe digitaler Technik erreichen können? Inwiefern verändern die neuen mobilen Medien unsere Wahrnehmung und Denkweise?“ (Ankündigunstext HdKdW). Ein ziemlich spannendes Thema, obwohl natürlich das körperbezogene Raumdenken bereits an dem Punkt in eine Krise geraten ist, ab dem der Mensch in der Lage war Informationen schneller zu bewegen, als sich selbst. Seitdem wird der transporttechnische Fortschritt  von einem medientechnischen Topos überlagert, der die Überwindung des Raumes nicht mehr als Einheit mit dem Körper denkt. Aus diesem Ablösungsprozess resultiert eine vollkommen neue Raumerfahrung: anfangs waren es noch optische Telegraphen, inzwischen durchqueren elektronische Impulse an unserer Stelle den Raum.

Das interessante an der gegenwärtigen Entwicklung ist nun aber, dass der digitale Medienumbruch die Aufmerksamkeit nun auf die Schnittstelle zwischen materiellem und digitalem Raum lenkt. Dort wo mediale Codes und physikalischer Raum aufeinander treffen, entstehen keine Cyberspaces mehr, sondern hybride Formen räumlicher Repräsenatation, die Daten und Orte miteinander verknüpfen und damit das ortsspezifische Handeln der Nutzer mit einbeziehen: Mobiltelefone wissen auf einmal wo sie sind und offenbaren dies auch Dritten, Suchanfragen werden nach Ortsbezug gewichtet, Navigationssysteme übernehmen räumliche Orientierung, die GPS-Chips in Digital kameras ergänzen unsere Fotoalben mit Geodaten, Smartphones sind inzwischen in der Lage Orte mittels digitaler Bilder zu identifizieren, Überwachungtechnologien tasten den physikalischen Raum digital ab usw. Während der digitale Datenraum also zunächst eine Entgrenzung ortsgebundener Praktiken suggerierte, tendieren die jüngsten Entwicklungen georeferenzierender Medien also nun eher zum Gegenteil: Zwar funktionieren sie weiterhin ortsunabhängig, also potentiell grenzenlos, doch sind ihre Inhalte ortsabhängig und ihre Nutzung ist damit an konkrete physische Orte gebunden, wie Jörg Döring und Tristan Thielmann in Mediengeographie schreiben.

Die Dimensionen dieser neuen Geomedialität wird am Samstag, den 26.11 auf einem auf der Thematik der Ausstellung basierenden Symposium diskutiert. Aus dem Ankündigungstext: „How does our relationship change to the natural world, to remote places, when connectivity is assured even if only by means of a passive satellite link? How does our tolerance of the real world adjust when so much of our shared experience, on a day to day basis, takes place in a purpose-designed container that allows us to edit out the problematic bits. How are people’s rights affected when they are not conscious producers of information but unwilling generators of data, as digital refugees?“ (Bild: „Going Nowhere“, 1995 von Simon Faithfull ©)

Openmind

Heute und morgen findet die Openmind-Konferenz in Kassel statt. Die Veranstaltungsbeschreibung klingt erstmal bischen abgedroschen: „Als vor zwei Jahren der Protest aus dem Netz gegen die Politik alter Herren mit Kugelschreibern in Fahrt kam, wussten die meisten von uns vor allem, was wir nicht wollten: die Beschränkung unserer Freiheiten durch immer neue Sicherheitsgesetze, Terrorpanik, eine Politik, die das Netz auf Basis von Angst und Vorurteilen reguliert. Aus diesem Impuls heraus ist eine Bewegung entstanden, die Politik nicht gegen, sondern durch und für das Internet macht.“ Nun ja, aber das Programm ist hochgradig experimentell und stellt auch mal die ganz grundsätzlichen Fragen nach dem Zusam­men­hang zwi­schen der Beschaf­fen­heit der Kom­mu­ni­ka­tio­nen und der begriff­li­chen Trans­for­ma­tion von Poli­tik und Gesell­schaft, ganz so wie iRevolution sich das wünscht.

Die Podiumsdiskussion „Autonomie durch Technologie“ beispielsweise wird bestimmt spannend und fragt dannach, was „der Gebrauch von Algorithmen für den politischen Liberalismus“ bedeutet, ob „die Autonomie des Individuums Platz in der Statistik“ hat und ob „Technologie einfach unsere intellektuellen Möglichkeiten“ erweitert. Auch gespannt bin ich auf den Vortrag von Michael Seeman; aus dem Abstract: „Die derzeitige Organisation der Gesellschaft – so meine These – bricht ihre bisherige Form auf und sucht eine Organisationsform, die den neuen, viel komplexeren Möglichkeiten ihrer Medien entspricht. Dabei verändert sich das Verhältnis des Individuums zur Gesellschaft derart, dass die bisherigen Politikformen diese nicht mehr zufriedenstellend abbilden können. Es existiert kein Konzept – nicht mal der Vorschlag für ein Konzept – für diese neue notwendige Politikform und es steht in Frage, ob es so etwas überhaupt geben kann.“ Gerade für diese großen Fragen brauchen wir Raum für Visionen und Utopien… gute Sache das. Formate wie dieses würde ich auch in der Wissenschaft gerne mal erleben. Das Programm gibt es hier, die Links für die Livestreams hier. Es wird zum Glück auch Aufzeichnungen der Vorträge geben (Danke!)

Die Masse als Netz

Im Februar 2012 findet, wie hier bereits angekündigt, das zweite Medienwissenschaftliche Symposium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Thema Soziale Medien – Neue Massen an der Uni Lüneburg statt. Super Thema, endlich wird in der institutionalisierten Medienwissenschaft mal ein Thema gepusht, das sich sonst hauptsächlich im Netz und damit (noch immer) parallel zum etablierten Wissenschaftsdiskurs abspielt. Das erste Symposium über Das Programm der Medien 2009 war bereits ein ziemlicher Erfolg und das Format hat hervorragend funktioniert. Leider wurde mein Paper abgelehnt – passt nicht ins Programm. Schade, wäre super gerne dabei gewesen… Hier mein Abstract für Sektion 4. Welche Öffentlichkeiten:

Die Verachtung der Masse, wie sie von LeBon, Freud und Canetti über Ortega, Anders und Riesman bis hin zu Baudrillard, Habermas und Sloterdijk formuliert wird, fußt vor allem auf der Notwendigkeit einer übergeordneten, die Masse manipulierenden Instanz. Auch wenn sich das Erscheinungsbild der Masse mit dem Aufeinandertreffen von Massen- und Mediendiskurs tiefgreifend verändert, basiert die Ablehnung alles Massenhaften weiterhin auf der Struktur dieser außengeleiteten Masse. Im Zuge der zunehmenden Technisierung von Produktion (Industrialisierung der Vervielfältigung) und Distribution (Beschleunigung des Transports) verstärkt sich dieser Eindruck sogar noch: so wird der Masse nicht nur ihre physische Präsenz entzogen, sondern auch ihre politische Kraft – sie wird nicht zum manipulierten Mob, sondern, viel schlimmer, zu einem verstummten Publikum passiver Empfänger von Programmen degradiert, die das Bedürfnis einer Massenbildung gar nicht mehr verspüren, sodass die öffentlich auftretende Masse schliesslich ebenso zu verschwinden beginnt, wie die Furcht vor der politischen und destruktiven Macht der Massen.

Die Analyse des weiteren Diskursverlaufs – und hier soll der Beitrag ansetzen – zeigt allerdings, wie der Massenbegriff im Zuge der Diskussion über die neu verteilte Macht zur Herstellung von Öffentlichkeit schliesslich in eine weitere Krise gerät. Im Mittelpunkt steht dabei eine Demokratisierung der Diskurse, die vor allem auf die veränderte Kommunikationsstruktur neuer Medientechnologien zurückgeführt wird. Seit der digitale Medienumbruch Kommunikationen zunehmend als Interaktion über mediale Umge- bungen organisiert, erweist sich ihre Struktur für Massenbotschaften als grundsätzlich ungeeignet und marginalisiert damit nicht nur dem Einfluss durch eine leitende Instanz, sondern entzieht sich ihrem Prinzip an sich. So ist die der Ethik des Industriezeitalters verpflichtete Vorstellung der Trennung von Produktion und Konsumption heute ebenso implodiert, wie die Fassung einer homogenen und raum-zeitlich begrenzten Öffentlichkeit. Negri und Hardt haben mit ihrem Konzept der Multitude als erste eine Transformation der Diskursfigur der Masse nahegelegt, in der die Masse ihren Subjekt-Status zurückerobert, weil sie sich nun der Manipulation durch Führer oder Programme entzieht.

Ist die Furcht vor den massenmedial manipulierten Massen damit heute Geschichte geworden? Bringen die neuen Vernetzungsmöglichkeiten die Menschen zurück „auf die Straße“, wie es im Falle der arabischen Revolution immer wieder unterstellt wurde? Ist der Zusammenschluss von Individuen als Multitudes mehr, als nur eine Television des Cyberspace, die von imaginären Massen demonstrierender Avatare betrieben wird? Kann eine Masse, die weder an Sichtbarkeit noch an physische Präsenz gebunden ist, als politisches Subjekt auftreten? Und welche Kriterien definieren Masse angesichts der veränderten Beschaffenheit des Medialen überhaupt (noch) als solche?

Im Umbruch individueller und kollektiver Interaktions- und Interventionsmöglichkeiten vollzieht sich die Konstitution und Neukonstellation von Masse immer weniger innerhalb fester hierarchischer Ordnungen, linearer Handlungsketten, räumlich konkreter Strukturen oder nationaler Regulierungs- und Kommunikationsräume. Damit basiert die Vorstellung der neuen Massen weder auf der unkalkulierbaren Naturkraft der Menschenansammlung, noch kann sie im Sinne einer privatisierten Massenhaftigkeit des Individuellen thematisiert werden, das kein handelndes Subjekt der Geschichte mehr darstellt. Die Akteure, deren Einordnung nun zur Disposition steht, lassen sich vielmehr als netzartig informierte, transnational operierende und organisatorisch diffuse Agenten beschrieben, die eindeutige und feste Zuordnungen nicht mehr zulassen (z.B. Flashmobs, Facebookgruppen, File-Sharer, DoS-Attacker, Follower). Mit ihnen steht die These vom Verschwinden der Masse, wie sie als medial verursachte Isolierung der Individuen vorgetragen wurde, vor der Neuverhandlung.

Soziale Medien – Neue Massen

Im Februar 2012 wird zum zweiten Mal das »Medienwissenschaftliche Symposium« der DFG stattfinden, dessen Aufgabe es ist, „die Entwicklung der Medienwissenschaft in Deutschland durch die Diskussion zentraler, gemeinsam interessierender Themen voranzubringen“. Der dafür ausgeschriebene CfP mit dem Titel »Soziale Medien — Neue Massen« fragt nach dem Zusammenhang von Medien und Öffentlichkeit – ein spannendes und höchst aktuelles Thema (das im Gegensatz zum ersten Symposium zudem ein klar formuliertes Anliegen hat): denn mit dem Motiv „einer brüchig werdenden Beschreibungsmacht hergebrachter Konzeptualisierungen von Massen und Massenmedien [und] den schon länger kursierenden Diagnosen zerstreuter Öffentlichkeiten“ (CfP) ist die Diskursfigur der Masse tatsächlich in eine Krise geraten. Betrachtet man den Diskursverlauf des Massenbegriffs von den frühen Massentheorien des späten 19. Jahrhunderts über die Massenmedientheorien des 20. Jahrhunderts bis zu den Netzwerktheorien des 21. Jahrhundert, so offenbaren sich die Brüche vor allem entlang der Übergänge von der industriellen Arbeitsgesellschaft zur postindustriellen Massenmediengesellschaft zur postmassenmedialen Netzwerkgesellschaft, die sich historisch vor, in und nach den Massenmedien verorten lassen und die von unterschiedlichen Konzepten von Öffentlichkeit geprägt sind.

Der Vergleich massentheoretischer Ansätze zeigt interessanterweise zunächst, dass die frühen Theorien den Massenbegriff kaum mit den Veränderungen der Kommunikationsverhältnisse assoziieren und den Zusammenhang von medientechnischen Umbrüchen und der Veränderung der For­men der Gesamt­heit sozia­ler Bezie­hun­gen („Gesellschaft“) zunächst größtenteils ausklammern. Erst mit Walter Benjamins vielzitiertem Kunstwerkaufsatz (vgl. Benjamin 1936/2002: 351-383) rückt die Problematik in eine prominentere Position: der Massendiskurs trifft auf den Mediendiskurs.Diese Überschneidung wird vor allem im Rahmen der zunehmenden Technisierung von Produktion (Industrialisierung der Vervielfältigung) und Distribution (Beschleunigung des Transports) möglich, denn mit ihr verändert sich die Konstitution von Masse und es entsteht dass, was bis zum Ende des 20. Jahrhunderts als Öffentlichkeit bezeichnet wird: eine unpersönliche, interaktionsarme Verbindung zwischen Menschen, die außerhalb direkter Sprecher-Hörerbeziehungen kommunizieren (vgl. Hartmann 2008: 25ff) oder dem pessimistischen Kanon der Medientheorie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsprechender formuliert: ein Produkt der Kulturindustrie für ein verstummtes Publikum.

Prägend für diesen Massen-Medien-Diskurs ist insbesondere die Transformation der Beziehungen der Individuen in der Masse, die zunehmend räumlich prekär werden: Während die physisch präsente Masse ihren frühen Beobachtern noch „als unkalkulierbare und elementare Naturkraft [erscheint], deren Sog so stark ist, daß sie auch gesittete und friedliche Menschen in ihren Bann zieht und mitreißt“ (König 1992: 97), thematisierten die neueren Theorien des fortgeschrittenen 20. Jahrhunderts Masse eher im Sinne einer privatisierten Massenhaftigkeit des Individuellen, die kein handelndes Subjekt der Geschichte mehr darstellen kann (etwa Anders, Baudrillard, Riesman, Sloterdijk). Anstatt als physisch bewusste Menschenmenge zu agieren, sitzen ihre Einzelteile solistisch vor den Empfangsgeräten.

Inzwischen aber, und hier setzt die Idee des Symposiums an, ist die Debatte über die Neuverhandlung des Öffentlichen und der Öffentlichkeit, die im Netz bereits seit einiger Zeit geführt wird (vgl. hier, hier oder hier) auch in den Wissenschaften angekommen (endlich!). Sie stellt die Frage nach einer Aktualisierung der Konzeption von Masse im Zuge der zunehmenden Medialisierung und informationellen Überformung (Augmentation) der Lebenswelt sowie nach den „Dynamiken und Effekten digitaler Technologien und ihren gesellschaftlichen und politischen Implikationen“ (CfP). Damit steht schlieslich die These vom Verschwinden der Masse, wie sie als medial verursachte Isolierung der Individuen vorgetragen wurde, vor der Ablösung. (Bild: Giuseppe Pellizza da Volpedo (1901) Il Quarto Stato – Der vierte Stand. Mailand, Civica Galleria d’Arte Moderna, Bildnachweis: Carlo Pirovano (Hg. ): La Pittura in Italia. Il Novecento / 1. 1900-1945, Mailand: Electa 1991 S.51)

Übertragen, Prozedieren, Speichern

Anläßlich des Abschieds des Instituts für Medienwissenschaft der Humboldt Universität Berlin aus der Sophienstr. war heute neben Vorträgen über den Stand und Zustand der Medienwissenschaft von Wolfgang Ernst und Wolfgang Hagen wieder mal eine kryptische Kurz-Improvisation Friedrich Kittlers zu hören (mit Rotwein, der aber unangetastet blieb). Hörenswert hingegen waren die von Claus Pias vorgetragenen Auszüge aus dem auf der Transmediale 2011 vorgestellten Band „Was waren Medien?„, die man in etwas längerer Version auch z.B. Pias Vortrag bei den Cologne Media Lectures entnehmen kann und die einen gelungenen Blick nach vorn auf die methodologische und disziplinäre Situation der Medienwissenschaft nach einem euphorischen Gründungsjahrzehnt werfen. Erst im Nachhinein ist mir dabei die Buchvorstellung des von Erkki Huhtamo und Jussi Parikka herausgegebenen Bands „Media Archaeology Approaches, Applications, and Implications“ aufgefallen, den ich zunächst desinteressiert beiseite gelegt hatte. Die im Netz verfügbare Lektüre der Einleitung verspricht einen spannenden Band.

Bemerkenswert finde ich dabei weniger den Ansatz einer Medienarchäologie, der traditionell Relikte der Vergangenheit birgt und diese als Medien wiederentdeckt ohne sie notwendigerweise zu historisieren, sondern die Verbindung mit der Frage nach der Neuheit der Neuen Medien im Bezug auf die mit ihnen verbundene Diskreditierung der Vergangenheit: „The advent of „new media“ (in common parlance, a loose conglomeration of phenomena such as the Internet, digital television, interactive multimedia, virtual reality, mobile communication, and video games), has challenged many scholars to investigate the media culture of late modernity. Research agendas vary from network analysis to software studies; from mappings of the new empire of network economies to analyses of new media as „ways of seeing“ (or hearing, reading, and touching). Efforts have been made to pinpoint where the „newness“ of social networking, interactive gaming, or data mining lies and to lay the foundations for „philosophies“ and „languages“ of new media. (…) As different as these approaches may be, studies of new media often share a disregard for the past. (…) The new media have been treated as an all-encompassing and „timeless“ realm that can be explained from within. However, signs of change have begun to appear with increasing frequency. Numerous studies and collections addressing the media’s past(s) in relation to their present have appeared in recent years.“ (Huhtamo & Parikka 2011) (Bild: University of California Press)

The Power of Open

Mit „The Power of Open“ hat Creative Commons ein Ebook PDF publiziert, das in kurzen und prägnanten Artikeln die verschiedensten Felder der rechtlichen und technischen Infrastruktur beleuchtet, mit der neue Formen des Teilens von Wissen, Kunst und Daten zwischen Individuen, Organisationen und Regierungen möglich geworden sind. „The world has experienced an explosion of openness. From individual artists opening their creations for input from others, to governments requiring publicly funded works be available to the public, both the spirit and practice of sharing is gaining momentum and producing results“, so die Herausgeber. Das Buch liest sich im Wesentlichen als euphorische Erfolgsgeschichte, was sicherlich nicht komplett unzutreffend ist. Betrachtet man aber beispielsweise die Wissenschaften, so muss man etwa für Deutschland feststellen, das Creative Commons kaum Beachtung findet. Man könnte meinen, man habe es mit einem schwerfälligen Dinosaurier zutun, der nicht merkt, dass seine Zeit abgelaufen ist.

Damit ist ein System aus Codes und Regeln gemeint, das nicht nur Fussnoten Hyperlinks vorzieht und für das ein gedruckter Artikel in einem Sammelband mit einer 1000er Auflage mehr zählt, als ein Onlineartikel mit 1.000.000 views, sondern dessen komplexe Qualitätssicherungs- und Publikationsprozesse das Wissenschaffen eher unterdrücken als fördern, wie etwa Mary Joyce in „Fixing Peer Review, Freeing Knowledge Creation“ zeigt. Es ist in der Tat interessant, dass die Akademie von der Diskussion über den Zugang und das Teilen, die sich im Zuge der kulturtechnischen Veränderungen durch das Digitale ergeben, seltsam unberührt bleibt – eine Diskussion, die sie selbst mit initiierte.

Vielleicht erleben wir hier eine Entwicklung, wie sie aus dem Spannungsverhältnis zwischen sogenanntem Bürgerjournalismus und professionellen Journalismus hervorgegangen ist. Institutionelle Forschung als Profession mit ihren schwerfälligen Qualitätsstandards und langatmigen Publikationszyklen verliert an Effizienz und Bedeutung, während Individuen an die Stelle der Institution treten oder diese zumindest heraufordern. Offen ist dabei, ob dies zu einer Transformation oder einer Separation führt. Dazu aus der Einleitung: „As we look ahead, the field of openness is approaching a critical mass of adoption that could result in sharing becoming a default standard for the many works that were previously made available only under the all-rights-reserved framework.“ Darauf wird sich die auch Wissenschaft mittelfrisitg einstellen müssen, ob sie will oder nicht. Verwunderlich finde ich, das „The Power of Open“ als klassisches PDF daher kommt und nicht als Webangebot konzipiert wurde. Kann mir das Jemand erklären? (Bild: Cover von „The Power of Open„, Creative Commons Attribution 3.0 License)

Das Internet als Masse

Im Deutschlandfunk lief gestern die überaus interessante Sendung „Revolution online. Das Internet und der Umbruch in der arabischen Welt“ von Andreas Noll, die sehr ausgewogen und differenziert die Rolle sozialer Netzwerke für die arabischen Revolutionen beleuchtet, zu der ich als „Social Networks, social revolution“ bereits geschrieben habe. Die Sendung gibt es hier als Audio on demand. Bemerkenswert finde ich vor allem die Analyse des Bremer Psychologieprofessors Peter Kruse. Kruse unterstellt, dass das Verhältnis der Individuen in der Masse nicht an Visualität gebunden ist und damit zunehmend räumlich prekär wird: „Das Internet kann Masse generieren, bevor Masse sichtbar wird. Normalerweise müssen sie immer ein Ereignis haben, das in irgendeiner Weise medial aufbereitet wird. Jetzt sind wir in einer Situation, wo durch die Systemeigenschaft des Internets sich Masse entwickelt, lange bevor sie sichtbar wird auf der Straße“.

Das ist ein interessanter, aber auch kein neuer Gedanke: Masse ist demnach weder an Sichtbarkeit, noch an physische Präsenz gebunden, kann aber, und das ist der fundamentale Widerspruch zu den notorischen Massenkritikern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundertsbereits (Riesman, Baudrillard, Anders, Sloterdijk und Konsorten), als politisches Subjekt auftreten. Für diese kam eine Masse, „die nur noch eine Qualität des Einzelnen darstellt“ als agierendes Geschichtssubjekt nie in Betracht. Bereits Baudrillard ging zwar bereits davon aus, dass sich die Trennung von Masse und Individuum im permanenten Zustand der Gleichzeitigkeit von Massenhaftigkeit und Individualität schließlich aufheben werde („In virtuellen Medienuniversen sind Masse und Individuum nur die elektronische Extension des jeweils anderen“). Jedoch blieb eine eine positive Bewertung von Masse, deren physische Präsenz fortwährend zugunsten des Imaginären und Virtuellen an Bedeutung verloren haben sollte, bis zu Negri und Hardts „Multitude“ ausstehend.

Obgleich bereits erkannt wurde, dass sich das Erscheiningsbild der Masse durch Medientechnologien tiefgreifend verändert, basierte die Ablehnung alles Massenhaften weiterhin auf der Struktur einer außengeleiteten Masse, die sich durch die medientechnisch ermöglichte Veränderung der Modalitäten der Kommunikation angeblich noch verstärkten sollte: so wurde der Masse nicht nur ihre physische Präsenz enzogen, sondern auch ihre politische Kraft – sie wurde nicht zum manipulierten Mob, sondern, viel schlimmer, zu einem verstummten Publikum passiver Empfänger von Programmen degradiert, die das Bedürfnis einer Massenbildung gar nicht mehr verspürten, sodass die öffentlich auftretende Masse schliesslich ebenso verschwinde, wie die Furcht vor der politischen und destruktiven Macht der Massen.

Die Ereignisse der arabischen Revolutionen haben den Massenbegriff aber zum Glück in eine weitere Krise geführt und damit die Diskussion über eine neu verteilte Macht zur Herstellung von Öffentlichkeit im Gang gebracht. Im Mittelpunkt steht dabei eine Demokratisierung der Diskurse, die vor allem auf die veränderte Kommunikationsstruktur neuer Medientechnologien zurückzuführen ist. Ihre netzartige Struktur ist für Massenbotschaften grundsätzlich ungeeignet und marginalisiert damit nicht nur dem Einfluss durch eine leitende Instanz, sondern entzieht sich ihrem Prinzip an sich. Mit dem darauf basierenden Konzept der Multitude haben Negri und Hardt eine Transformation der Diskursfigur der Masse nahegelegt, in der die Massen ihren Subjekt-Status zurückeroberen, weil sie sich nun der Manipulation durch Führer oder Programme entzieht. Man sollte aber nicht annehmen, dass imaginäre oder unsichtbare Massen (wenn das denn der richtige Begriff sein sollte) die phsyisch präsente Masse und deren Handlungsmacht auch nur annähernd ersetzen könnten. (Bild: Essam Sharaf, Creative Commons, via)

Parteispenden Watch

Die Taz hat auf Basis des Bundesrechenschaftsberichts alle Parteispenden ab 10000 Euro übersichtlich auf einer Karte zusammengefasst. Die Indexierung der Geodaten ist ein schönes Beispiel für das epistemische Potential kartographischer Bildformen: Es ist zwar nicht mehr überraschend, aber doch beeindruckend zwischen der Tabellendarstellung und der Geovisualisierung hin und her zu schalten. Der Trend digitale Datensätze in Karten einzuschreiben, also Inhalte mit Orten zu verknüpfen, scheint sich weiter fortzusetzen. Interessant finde ich dabei, dass Daten inzwischen nicht nur zunehmend ortsspezifisch gesendet werden, sondern eben auch immer mehr ortsbezogen abgerufen. Wenn man davon ausgeht, dass eine Information immer einen Ort hat, könnte man von einer Renaissance des Lokalen sprechen. Denn während die relative Lage von Orten zueinander durch die medientechnische Raum-Zeit-Kompression des Digitalen zunächst scheinbar trivialisiert wurde, d.h. der Ortslosigkeit des „Global Village“ eine „Ästhetik des Verschwindens“ entsprach (Virilio), nimmt die Bedeutung des Ortes im Zuge der Möglichkeiten durch die Geocodierung wieder zu.

Das Projekt, das ebenso wie die Visualisierung der Bewegungsdaten des Grünen-Abgeordneten Malte Spitz von OpenDataCity realisiert wurde, zeigt aber auch erneut, wie wenig offen und transparent die mit Steuergeldern erhobenen Daten in Deutschland sind: der Bundesrechenschaftsbericht lässt sich ausschließlich als PDF herunterladen und muss daher „mittels Texterkennung digitalisiert, kontrolliert und in einheitliche Tabellenform gebracht werden“ (taz). Ich schrieb bereits im September 2010, dass ich es für eine gute Idee halte, „den Bür­gern die Aus­wer­tung Ihrer Daten selbst in die Hand zu geben (so wie es zum Bei­spiel in Bir­ming­ham gemacht wurde) – sie wis­sen selbst bes­ser, was sie wis­sen wol­len. Nur müs­sen dafür natür­lich die rich­ti­gen Aus­gangs­be­din­gun­gen und Schnitt­stel­len geschaf­fen wer­den“ (zum Artikel).  Mit dem gleichen Problem kämpft auch das Projekt offenerhaushalt.de, wie der entsprechende Hinweis zur Datenqualität zeigt: „Leider stehen die Haushaltsdaten nicht in einem offenen, maschinenlesbaren Datenformat zur Verfügung. Wir mussten daher auf einer maschinelle Auswertung der angebotenen HTML-Dokumente („screen scraping“) zurückgreifen“ (offenerhaushalt.de). (Bild: screenshot von taz.de)

Bambuser vs Facebook?

Ramy Raoof, Editor des zweisprachigen Egyptian Blog for Human Rights,  hat eine „Timline of Communication Shutdown during the Revolution“ für Ägypten erstellt. Solche Zeitleisten machen bestimmte Zusammenhänge zwar sichtbar, sind aber durchaus auch problematisch, weil sie eben auch leicht Zusammenhänge von Ereignissen implizieren, die nicht unbedingt miteinander korrelieren (siehe zum Beispiel auch „The Path of Protest“ des Guardian).

So überrascht mich beispielsweise, dass Bambuser offenbar vor Facebook blockiert wurde. Der schwedische live video broadcasting service scheint mir im Zusammenhang mit den Protesten in Ägypten deutlich weniger präsent gewesen zu sein als Facebook. Bambuser richtete daraufhin offenbar eine externe Seite ein, auf der die eingehenden Streams aus Ägypten gesammelt wurden und die inzwischen als eigene Kategorie mit dem Titel „North Africa/Middle East“ geführt wird, aus der wiederum Streams aus Bahrain, Ägypten und Marokko herausgefiltert werden können. Die Rolle von Diensten wie Bambuser oder Color, mit denen sich Photos und Videos in Echtzeit veröffentlichen und teilen lassen, ist im Gegensatz zu Twitter und Facebook für den Bereich des politischen Protest kaum ausgelotet worden. Oder ist mir da was entgangen? (Bilder: Ramy Raoof, auf Flickr, CC-BY-2.0) Via Netzpolitik