McLuhan zum 100.

Dieses Jahr wäre McLuhan 100 geworden. Die transmediale hat deshalb das McLuhan in Europe 2011 Netzwerk initiiert, in dessen Rahmen vom 27.-29. Mai in der kanadischen Botschaft die gut besetzte Konferenz Re-Touching McLuhan: The Medium is the Massage stattfindet, die den Zusammenhang von „senory effects of electronic media as ‚extensions of man‘ and his legacy on artistic and digital cultural practice“ thematisiert.

Über die Konferenz: „Forty-five years ago, many of the ideas put forward by Marshall McLuhan sounded very daring and provocative. From today’s perspective, though, some of them were actually prophetic. This includes his theory of the multi-sensory and crossmodal effects of electronic media. Through immersion (games, virtual reality) and tactile interaction (multi-touch interfaces) these days the corporeality of what is digital has become a natural component of media-based lifeworlds. The enhanced importance of acoustics in the perception of media and media theory is also probably a legacy of McLuhan’s. A preview of our contemporary multi-sensory media world can be found in his books “The Medium Is the Massage” (Marshall McLuhan and the graphic designer Quentin Fiore, 1967) and “Counterblast” (Marshall McLuhan and the artist and designer Harley Parker, 1969).

The conference will extract from McLuhan’s multi-faceted and sometimes contradictory oeuvre a thematic vector into today’s media reality. Of special interest here is the impact of McLuhan on the media arts from the 1960s to the present, the “embodiment” of modern media technology, and McLuhan’s own media presence.“ Das komplette Programm findet sich hier (mcluhan2011.eu). (Bild: Screenshot Buchcover, Penguin Books)

Die Aufhebung der parlamentarischen Demokratie?

Was genau ist es? Was hat das weltweite Umdenken in der Atompolitik verursacht? Es sind nicht die unzähligen Demonstrationen, es ist nicht die Anti-Atombewegung, nicht die Meinungsumfragen, nicht die Pannen-AKWs, Sonnencents, Erneuerbare-Energien-Gesetze oder Hackerangriffe. Die hatten wir auch schon vorher und sie haben Politiker ja auch überzeugt für einen Atomausstieg einzutreten aus dem dann wieder ausgestiegen wurde, weil andere Politiker davon nicht überzeugt waren, weil sie von anderen überzeugt wurden. Was aber ist nun passiert – wer oder was hat die Kehrtwende der Regierung herbeigeführt? Rechtfertigungsversuche der Regierung beginnen so: „Die Ereignisse in Fukushima haben gezeigt, dass…“ – ja, was haben sie den gezeigt?

Nichts was wir vorher nicht gewusst haben, kein Risiko, das vorher nicht berechnet worden war. Es ist vielmehr das Vor-Augen-Führen der Katastrophe, die Sichbarmachung des Ereignisses, die zeigt, dass es die Bilder sind, die diese Entscheidungsprozesse steuern. Ähnlich wie die Ikonen der Twin-Towers von 9-11 sind es hier nun die Bilder eines Atomkraftwerks, denen wir uns nicht entziehen können, aus der Luft, aus der Ferne, verschwommen, undeutlich, diffus, im Dunst verschwindend, die eine unsichtbare Bedrohung sichtbar machen und damit als Akteure in den politischen Prozess eingreifen. Sie allein entlarven die rhetorisch verschleierte Einsicht und damit die Korrumpiertheit der Entscheidungsträger. Die Bilder sind mächtiger als die Bürger. (Bild: daveeza CC-BY-SA)

Veranstaltung: Interventionen – Neue Orte des Politischen

Interessante Veranstaltung über das Verhältnis von Kunst, Protest und Geographie am im Körberforum in Hamburg (Kehrwieder 12, 20457 Hamburg) am Mittwoch, den 15.Juni 2011: „Politische Auseinandersetzung findet zunehmend außerhalb der Parlamente statt. Bürger nehmen politische Anliegen in die Hand und greifen zu neuen Formen der Selbstorganisation. Nicht selten haben dabei auch künstlerische Interventionen eine impulsgebende Funktion. Wie wirken diese neuen Protestformen auf die etablierte Politik? Und wie legitimieren die Aktivisten ihre Proteste? Der Studienpreisträger Friedrich von Borries, Hochschule für bildende Künste Hamburg, diskutiert unter anderem mit dem Soziologen Dieter Rucht und der Schweizer Politologin und Publizistin Regula Stämpfli. Stephan Detjen, Chefredakteur Deutschlandfunk, moderiert.“ Details auf der Seite der Körber-Stiftung.

Call for Paper: Medienaktivismus

Interessanter CFP der Zeitschrift Medienimpulse: „Medienaktivismus ist ein noch wenig erforschtes Terrain der Medienwissenschaft. Widerstandsmedien, Protestmedien, aktivistische Medien, Medien des Ungehorsams, radical Media: eine breite Vielfalt von medialer Erscheinungen kreiert und kommuniziert Wissen, das sich vom Herrschaftswissen distanziert und dieses an der Schnittstelle von Technik, Politik und Kunst angreift. Obwohl Medienaktivismus meist mit den taktischen Medien der Neunziger- und frühen Nuller-Jahre assoziiert wird, hat das Aufbegehren durch Nutzung und Schaffung nicht zensurierbarer Medien eine lange Geschichte. Diese reicht von den Graffiti der Antike über die mittelalterliche Karnevalskultur bis zu den Pamphletschreibern der frühen Neuzeit, den Radiopiraten des 20. Jhdts. und den gegenwärtigen Aktionen etwa von uebermorgen.com, den Yesmen, oder den Liens Invisibles. Diese Ausgabe der Medienimpulse greift die bunte Vielfalt der aktivistischen Mediennutzung auf und untersucht Medienaktivismus aus medientheoretischer und medienpädagogischer sowie aus politischer und technologischer Sicht. Die Redaktion fragt nach Beiträgen, die sich diesen Themen reflexiv oder empirisch nähern und Teilaspekte eingehend analysieren. Redaktionsschluss: 15.5.2011 – Erscheinungsdatum: 21.6.2011. Mehr unter: http://www.medienimpulse.at/calls

Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt

Am 8. und 9. April findet im Berliner Haus der Kulturen der Welt das zweite Zukunftslabor der taz statt. Der Eröffnungsvortrag „Revolution, Demokratie, Utopie: Vom Internet übermittelt?“ von Evgeny Morozov wird sicher spannend. Gespannt bin ich aber vor allem auf „Was macht die Revolution mit uns? Kulturelle und gesellschaftliche Folgen der Digitalisierung“ mit Isolde Charim, Joseph Vogl und Mercedes Bunz – wird sicher zu unrecht leer werden, weil parallel der Wikileaks-Hype abgeht. Als Vorbereitung kann ich  „Logik der Technik – Das Denken und die Digitalisierung“ von Mercedes Bunz sehr empfehlen. Dort wird in einer bemerkenswerten Eloquenz eben jene Einstellung gegenüber der (noch immer) sogenannten digitalen Revolution diskutiert, die hoffentlich auch Gegenstand des Kongresses sein wird. Für mich ist eben diese Revision des Revolutionsbegriffs durch das Digitale eine spannende Auseinandersetzung, der Anfangspunkt einer Debatte über den Zusam­men­hang zwi­schen der Beschaf­fen­heit der Kom­mu­nika­tio­nen und der begriff­li­chen Trans­for­ma­tion von Poli­tik und Gesell­schaft.

The path of protest

Die ganze Zeit habe ich mir schon eine solche Visualisierung gewünscht, die das diffuse Gefühl vom Zusammenhängen der Proteste in den arabischen Ländern etwas differenziert. Es ist natürlich der Guardian, der sie liefert und damit natürlich ein Aufeinander-Bezogen-Sein der Ereignisse bereits unterstellt. Man mag meinen es wäre einfach offensichtlich, was die Time-line vorschnell zu schlußfolgern anbietet, aber was genau trägt den diese Welle der Proteste eigentlich immer weiter, frage ich mich. Link zum Guardian-Artikel von Garry Blight and Sheila Pulham: „Arab spring: an interactive timeline of Middle East protests. Ever since a man in Tunisia burnt himself to death in December 2010 in protest at his treatment by police, pro-democracy rebellions have erupted across the Arab world. Our interactive timeline traces key events“. (Bild: Guardian.co.uk)

Cyber-utopianism und der Medienbegriff

Es gibt mal wieder eine neue Animation von Cognitive Media für die Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce (RSA). Diesmal handelt es sich um die Sichtbarmachung des hörenswerten Talks von Evgeny Morozov zum Thema „The Internet in Society: Empowering or Censoring Citizens?„. Morozov hat sich vor allem seit dem Erscheinen seines Buches „The Net Delusion: The Dark Side of Internet Freedom“ im Januar als großer Kritiker einer sogenannten „Befreiungstechnologie Internet“ hervorgetan. Er hat natürlich Recht, wenn er sagt, das Technolgie nicht mit Demokratie verwechselt werden darf. Ich Frage mich aber, ob es sich bei den Mythen, die Morozov bekämpft, wirklich um Mythen handelt. Ebenso wie bei Telegraph, Kassettenrecorder oder Kopierer ändern sich auch mit Twitter „lediglich“ die Bedingungen des Speicherns, Verarbeitens und Vermittelns von Informationen. Natürlich stehen den Libe­ra­li­sie­rungs­er­schei­nun­gen dabei immer auch neue Möglichkeiten der Kon­trolle und Beherr­schung gegenüber.

Handelt es sich deshalb nicht vielmehr um ein Ausloten der Potentiale von Informations- und Kommunikationstechnologien, die ja selbst niemals politisch sein können? Sicherlich ist es sinnvoll die politischen Erwartungen abzukühlen, die auf das revolutionäre Potential des Internets projeziert werden. Das Problem liegt meines Erachtens aber nicht in einer Überschätzung dieses Potentials, sondern eher an einer grundlegend falschen Interpretation des Medienbegriffs. Am Freitag, den 8. April werde ich Morozov mal auf dem Medienkongress der TAZ dazu fragen, denn er hält den Eröffnungsvortrag „Revolution, Demokratie, Utopie: Vom Internet übermittelt?“. Aus dem Abstract: „Technische Mittel, vor allem solche der Kommunikation, spielen in allen Revolutionen eine bedeutende Rolle. Doch so wenig wie das Telefon oder das Fernsehen, ist das Internet einfach Befreiungstechnologie. Was also machen wir mit den neuen Medien?“ (Link)

Google Street Car

Großartiges Google-Flashgame von Linus Suter. Hier verschränken sich horizontaler und vertikaler Blick: man navigiert sein Google Street Car ganz GTA-like von oben auf sich selbst blickend über die Karte, ist aber zugleich in der Lage, die an den Betrachter bzw. die Kamera gebundene Streetview-Perspektive einzunehmen. Beide Perspektiven scheinen sich eigentlich gegenseitig auszuschliessen, sind aber – wie hier gezeigt – ebenso dazu in der Lage sich zu ergänzen. (Bilder: www.codewelt.de, Linus Suter)

Skydiving

Der Blick von oben auf die Welt zeugt noch immer von einer gewissen Exklusivität – so erforderte er doch das Einnehmen einer Betrachterposition, die eine Lageveränderung voraussetzte, welche zumeist nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen war. Ist die Freude am virtuellen Blick von oben hier deshalb noch so überschwenglich? Noch hat die Inflation des orbitalen Maschinenblicks das Gefühl des Erhabenen nicht aufgehoben, wie es scheint.

Reclaim your Street View?

Seitdem die Satellitenbilder von Google Earth online gingen, ist viel mit dem Dienst experimentiert worden. Die Ansätze reichen von politischen Projekten (eyesondarfur) bis zu kommerziellen Funktionen (roofads), von künstlerischen Interventionen (Aram Bartholls Map) bis zu wissenschaftlichen Dokumentationen (UNEP). Mit den Straßenansichten von Street View, Bing und dergleichen vollzieht sich seit einiger Zeit (in Deutschland ja etwas verspätet) ein ähnliches Ausprobieren und Ausloten der Potentiale. Hunderte von Beispielen könnte man inzwischen schon aufzählen: öffentlichen Kunstsammlungen (Street Art View), Roadmovies (Banshee Beat), Shooping Guides (Showstreet), virtuelle Urlaubsfotos (Sehsucht), Naturbeobachtung (Antarktis) oder etwa John Rafmans bemerkenswerte zwischen Kunst und Sozialkritik angesiedelte Studie der neun Kamera-Augen (9-Eyes).

Ich bin gespannt wie sich die Dienste weiterentwickeln, was vermutlich wesentlich davon abhängen wird, wie die Möglichkeiten des Eingreifens in die Bilder gestaltet werden. Schon jetzt werden zum Beispiel massiv von Usern generierte Bilder eingebunden (z.B. bei Bing Maps) womit sich neue Dimensionen von Räumlichkeit und Zeitlichkeit verbinden. Spannend dürfte in diesem Zusammenhang sein, wie Google das im Januar angemeldete Patent „Claiming Real Estate in Panoramic or 3D Mapping Environments for Advertising”, das genauer beschrieben wird als: “techniques for identifying groups of features in an online geographic view of a real property and replacing and/or augmenting the groups of features with advertisement”. Kann ich dann Häuser nicht nur Verpixeln lassen, sondern auch tanzende Aliens aus den Fenstern winken lassen? Oder kann ich Greenpeace-Banner an Kühltürmen von Atomkraftwerken plazieren bitte? Oder McDonald-Ads an den Schaufenstern von Burger King? Damit würde jedefalls ein weiterer Teil der Augmented-Reality-Visionen wirklichkeit werden. (Bild: Technology Daily)