Digital Bomb

Diese Woche läuft „Digital Bomb“ auf Arte.tv – übrigens auch im Fernsehen, aber das ist hier eher nebensächlich. Ein bemerkenswerter Blick auf die soziale, ökonomische, mediale, politische Dimension des Web (ich bin froh, dass ich hier nicht mehr den Begriff Web 2.0 verwende). Ausgangspunkt ist dabei jene Umschichtung von Distributionsmechanismen, die Bernard Stiegler formuliert: „wir verändern gerade Modelle die zuvor ausschliesslich top-down und stark hierarchisch organisiert gewesen sind und in denen die Produktion und die Konsumption stark voneinander abgegrenzt waren“. Dies meint nicht nur die Inversion von Sender-Empfänger-Modellen, sondern eine grundlegende Veränderungung der kulturellen Form – eine Erkenntnis, die im Bereich der Kommunikation längst selbstverständlich ist, für Ökonomie und Politik aber nach wie vor nur unzureichend erschlossen ist (Stiegler ist übrigens Direktor einer interessanten Forschungseinrichtung, des Institute for Research and Innovation am Centre Pompidou, das die Evolution „of relationships between cultural institutions, their works, and the public“ untersucht).

Die Doku schaut sich bis auf ein paar Privacy-Alerts durchweg als revolutionäre Befreiung von den im 20. Jahrhundert vorherrschenden Gesellschafts-, Wirtschafts- und Massenmedienstrukturen. Sie propagiert eine Gesellschaft der freigesetzten Kreativität, eine Wirtschaft des egalitären Informationsaustausches sowie eine Medienlandschaft, in der die Ideen der Amateure über die professionelle Inszenierung von Inhalten triumphieren und damit eine Renaisssance des Geschichten-Erzählen einleiten. Schön und anregend soweit, allerdings irgendwie auch ein wenig harmlos, wenn Jana Pallaske am Sandstrand mit Sonnenuntergang davon erzählt, wie sehr das Internet unseren Horizont erweitert, das echte Leben doch aber bitte nicht vor dem Bildschirm stattfindet („hello, get a life“). Natürlich dürfen, wie in jedem Beitrag über vernetzte Kulturtechnologien, auch Obama-Wahlkampf und die (sogenannte) Twitter-Revolution im Iran nicht fehlen. Hier wird zwar deutlich, wie die Nutzung neuer Distributionswege für politische Interessen genutzt werden kann (Wahlverhalten, internationale Aufmerksamkeit), nicht aber, was das Politische an ihnen ist.

Digitale Öffentlichkeit

Nach dem Strukturwandel der bürgerlichen Öffentlichkeit scheint ja nun auch die Historisierung der massenmedialen Öffentlichkeit beschlossene Sache zu sein: Im Zeitalter digitaler Medien ist die Fassung homogener und raum-zeitlich begrenzter Öffentlichkeit schliesslich implodiert. Das, was wir bis etwa zum Ende des 20. Jahrhunderts als Öffentlichkeit bezeichneten war eine interaktionarme und unpersönliche Verbindung zwischen Menschen, ein Produkt der Kulturindustrie für ein verstummtes Publikum, ermöglicht durch die zunehmende Technisierung von Produktion (Industrialisierung der Vervielfältigung) und Distribution (Beschleunigung des Transports). Die habermaßsche Kritik an diesen Veränderungen des Systems kultureller Übermittlung und ihren Folgen für die Gesamtheit sozialer Beziehungen bezog sich maßgeblich auf eben jene Entwicklung vom kulturräsonierenden zum kulturkonsumierenden Publikum (Strukturwandel der Öffentlichkeit §18), dem Öffentlichkeit nur noch als bloße Inszenierung begegnete – produziert von PR-Consultans, Spin-Doktoren, Marktforschern, Agendasettern und Eventmanagern.

Über Möglichkeiten der Intervention gegen das was Habermas als „Refeudalisierung“ der Öffentlichkeit bezeichnet (er erklärt das anhand des Übergangs von der kritischen Publizität der „literarischen Öffentlichkeit“ zur öffentlichen Dienstleistung der Massenmedien in SdÖ §20) und der mit ihr verbundenen Veränderung der Modalitäten und Akteure politischen und sozialen Handlens, ist von Enzensberger bis Baudrillard viel diskutiert worden. Seit der digitale Medienumbruch Kommunikationen nun zunehmend als Interaktion über mediale Umgebungen organisiert, wird eine begriffliche Neufassung von Öffentlichkeit immer notwendiger: Während im Netz bereits von den“alten Öffentlichkeiten“ gesprochen wird, stellt sich die Frage nach der Vorstellung und dem Umgang von und mit der post-massenmedialen Öffentlichkeit vor allem im Zuge der zunehmenden Medialisierung und informationellen Überformung (Augmentation) der Lebenswelt.

Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur Diskussionen über die verteilte Macht zur Herstellung von Öffentlichkeit als Demokratisierung der Diskurse (Netzwerk vs. Hierarchie), aus denen ein verändertes Verhältnis zwischen individuellen und institutionellen Akteuren hervorgeht, sondern vor allem auch die Verhandlung der viel grundsätzlicheren Frage was überhaupt öffentlich ist. Denn in der networked public sphere (Yochai Benkler) tritt das Private immer mehr ins Öffentliche und nicht mehr umgekehrt. Die Debatte über Profile in Sozialen Netzwerken ist dafür ein gutes Beispiel oder die Kartographierung von WLAN-Netzen durch Google. Unsere Individualität ist hier nur noch ein statistisch mehr oder weniger häufges Bündel von Merkmalen und Eigenschaften, wie Frank Rieger in der FAZ schreibt („Der Mensch wird zum Datensatz„).

Wie sich Öffentlichkeit durch das Digitale immer weiter transformiert und fragmentiert, zeigt sehr überzeugend auch das „imporved reality project“ The Artvertiser von Julian Oliver, das vor allem mit der Vorstellung des Virtuellen als parallele (oder lediglich erweiterte, „augmentierte“) Öffentlichkeit bricht: as „an instrument of conversion and reclamation, The Artvertiser situates the ‚read-only‘, proprietary imagery of our public spaces as a ‚read-write‘ platform for the presentation of non-proprietary, critically engaging content.“ Hier prallen alte und neue Öffentlichkeit aufeinander: statische Werbeflächen werden von dynamischem Content überlagert – der öffentliche Raum wird apparativ modifiziert, er ist damit räumlich diffus und kann alle möglichen Formen annehmen. Genau darin liegt wohlmöglich das Wesen der neuen Öffentlichkeit. Wie ein letztes antiquiertes Aufbäumen vor dem Ende des massenmedialen Zeitalters schien dagegen etwa das Verbot öffentlicher Werbung in Sao Paolo 2007 (Foto unten, mehr: Flickr-Stream von Tony de Marco).

Im Zuge der fortschreitenden Verknüpfung des digitalen mit dem physikalischen Raum (Foursquare, Latitude usw.), beginnen digitale Technologien zudem sozial integriert und räumlich kontingent zu werden. Denn dort wo mediale Codes und physikalischer Raum aufeinander treffen, entstehen keine Cyberspaces, sondern hybride Formen räumlicher Repräsenatation – auch sie bedeuten immer schon Überschneidungen von Privatem und Öffentlichem, wie sie beispielsweise Timo Arnall in seiner Arbeit „Wireless in the World“ sichtbarmacht. Dort heißt es: „Utopian and radical architects in the 1960s predicted that cities in the future would not only be made of brick and mortar, but also defined by bits and flows of information. The urban dweller would become a nomad who inhabits a space in constant flux, mutating in real time. Their vision has taken on new meaning in an age when information networks rule over many of the city’s functions, and define our experiences as much as the physical infrastructures, while mobile technologies transform our sense of time and of space.“ Auch hier wird deutlich, wie das Digitale den Raum des Öffentlichen neu definiert. (Bilder © Tony de Marco, © Julian Oliver)

Digital Activism Decoded

Mit „Digital Activism Decoded – The new Mechanics of Change“ ist eine interessante Publikation erschienen, die den Zusammenhang von digitalen Medien und Aktivismus thematisiert. Der von Mary Joyce vom Meta Activism Project herausgegebene Band füllt insofern eine Lücke, als dass zwar inzwischen unzählige einzelne Artikel und Case Studies existieren, die sich mit der Beziehung digitaler Medien und politischem Handeln auseinandersetzen (angeführt von den immer wiederkehrenden populären Beispielen Obama-Wahlkampf und Twitter-Revolution im Iran), eine umfassende und systematische Thematiserung sowie eine disziplinäre Situierung und Positionierung allerdings weiterhin ausstand.

Das Buch widerspricht zudem dem verbreiteten Trugschluß, das Digitale am Aktivismus sei einfach als technische Verbesserung oder Ausweitung bestehender Infrastrukturen zu begreifen (schneller, billiger, mehr) – so wie es beispielsweise in der deutschen Medienpolitik und auch in der internationalen Medienentwicklungszusammenarbeit noch vorwiegend wahrgenommen wird – sondern setzt mit der Umkehrung der Frage, nämlich der nach dem politischen Potential des Digitalen (und nicht nach dem digitalen Potential des Politischen) einen richtigen Impuls. Das Buch ist unter einer Creative Commons Lizenz veröffentlicht (by-nc-nd) und steht als Download zur Verfügung.

ZfM / In Gegenwart der Medien

Die zweite Ausgabe der Zeitschrift für Medienwissenschaft mit dem Titel Materialität / Immaterialität ist erschienen. Empfehlenswert finde ich vor allem die Besprechungen von Tobias Werron (Media Globalization in Question. Ein soziologischer Blick auf medienhistorische Beiträge zur Globalisierungsforschung) und Christine Hanke (Bildwissenschaften lehren). Das IKKM lädt anläßlich des Erscheinens am Montag, den 7. Juni 2010, 20 Uhr im HAU 2 (Hallesches Ufer 32, 10963 Berlin) zu einem Gespräch zur medialen Situation des Intellektuellen mit Hans Ulrich Gumbrecht, Bernhard Siegert und Siegfried Zielinski, moderiert von Wolfgang Hagen.

Infos zur Veranstaltung (Quelle: IKKM): „Mehr noch als Vergangenheit und Zukunft ist die Gegenwart ein Medienprodukt. Daher trägt jede Gegenwart eine unhintergehbare Signatur durch Medien. Um diese Signatur entziffern zu können, ist eine Gegenwartsdiagnose nötig, die sich weder dem Zeitgeist ausliefert, noch zur epochalen Deutung verkommt. Die Situation des Intellektuellen wird daher nur in der Diskussion um seine Zeitgenossenschaft bestimmbar. Zeitgenossenschaft ist die klassische Bestimmung des Intellektuellen, denn Zeitgenosse ist nicht nur, wer mit anderen gleichzeitig lebt, sondern – so sagt es bereits das Grimmsche Wörterbuch – wer mit seiner Zeit synchron ist. Ein Denken, das an der Zeit ist, muss nicht nur von heute sein, sondern Begriffe und Interventionen etablieren, die Gleichzeitigkeit und Vergleichbarkeit allererst herstellen.

Eine prestigeträchtige Figur, die solche Eingriffe virtuos beherrscht, ist der Medienintellektuelle. Die Massenmedien sind zugleich Quelle und Kanal seiner Autorität, ihnen verdankt er eine flüchtige Reputation, die ständig neue Themen und Diagnosen generieren muss. Hier soll jedoch kein tagesaktueller Eingriff, sondern ein anderer Zugriff erprobt werden, der sich von der Orientierung an den Massenmedien entfernt und stattdessen die Medien und Techniken der Kultur am Denken der Gegenwart teilhaben lässt.

Inwiefern also nicht ein publizistischer, sondern ein kulturwissenschaftlicher Begriff der Medien für die geistige Situation der Zeit zentral und ob Medienwissenschaft, auch und gerade wenn sie historisch denkt, auf der Höhe ihrer Zeit ist, darüber diskutieren mit dem Moderator Wolfgang Hagen drei informierte Zeitgenossen: Hans Ulrich Gumbrecht, Bernhard Siegert und Siegfried Zielinski. Im Verlauf des Abends wird das aktuelle Heft der neuen „Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung“ (ZMK) vorgestellt, die den Diskussionen und Diagnosen der Medienwissenschaft, ein internationales Forum bietet.“ (Bild: ©www.zfmedienwissenschaft.de)

Datenschatten

Es ist allseits bekannt, dass unsere digitalen Fussabdrücke (Einkäufe, Telefonate, Emails, Flugreisen, Grenzüberquerungen) heute gespeichert und ausgewertet werden. Zusätzlich werden inzwischen aber zunehmend auch Geodaten in Algorythmen übersetzt, als Datensätze gespeichert und zu Profilen decodiert. Diese Korrepondenz von Daten und entsprechenden Geocodes lenkt die Aufmerksamkeit dabei auf die Situationen (auf das Wo & Wann) der Mediennutzung: dabei stehen vor allem die Fragen nach der Verortung von Mediennutzung sowie nach der Lokalisierung des Mediennutzers im Mittelpunkt. So stellen immer mehr standortbasierte Dienste entsprechende Dienstleistungen zur Verfügung, die genau auf die Preisgabe unseres Standorts abzielen – vor dem Hintergrund der zunehmenden Kommodifizierung urbaner Räume ein eher unbehaglicher Gedanke, der eine neue Dimension des Data Mining eröffnet hat.

Ist unsere Individualität nun endgültig nur noch ein statistisch mehr oder weniger häufiges Bündel von Merkmalen und Eigenschaften, bei denen das Private ins Öffentliche tritt und nicht mehr umgekehrt? Die digitale Erfassung des Realraums deutet zumindest auf eine Intensivierung von Überwachung und Disziplinierung öffentlicher Räume hin: Der panoptische Blick kommt nun ohne Augen und Wachpersonal aus. Sind die Überwachungsbilder von Morgen dann vor allem Ergebnisse räumlicher Indexierungen aus ortsbasierten Datensätzen?

In der Telepolis-Buchreihe ist dazu unter dem Titel Datenschatten gerade ein interesanter Band erschienen: „Elektronische Medien durchdringen bereits große Bereiche der Gesellschaft. Durch Satellitenortung, RFID, die Vernetzung von Datenbanken hinterlässt das Handeln der Menschen ein immer detaillierteres digitales Abbild, das später zunehmend automatisiert überprüft, analysiert und bewertet werden kann. Dies verändert die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern, zwischen Lehrern und Schülern, zwischen Staat und Bürger, im Büro und in der Fabrik.“

Vergessen werden sollte dabei aber nicht, dass vor allem ortsgebundene Medien auch eine neue Dimension physisch-sozialer Interaktion eröffnen – ihr Potential Menschen und Objekte zu verbinden und zusammenzuführen, ermöglicht ebenso neue Raumnutzungen: Die Auswertung der geomedial abgetasteten Umwelt macht Raume und Orte neu sichtbar und ermöglicht neue Formen der Navigation in ihnen. Diese Location-Awareness bedient sicher auch einen Bedarf an raumbezogener Orientierung, der angesichts der Allgegenwärtigkeit und Verfügbarkeit des Digitalen wachsen wird.

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Collateral Murder

Wikileaks hat im April ein Video veröffentlicht, das an anderer Stelle ja bereits ausführlich diskutiert wurde (hier, hier oder hier). Besondere Beachtung finden dabei die im Video zu hörenden Anfeuerungen der Soldaten an den bereits schwer verletzten Reuters Journalisten Said Chmagh („All you have to do is pick up a weapon“): Die Identifizierung einer Waffe erlaubt den Soldaten nach den sogenannten „Rules of Engagement“ das begrifflich vollkommen unangebrachte „Eingreifen“ in den Konflikt. Chmagh wird kurz darauf getötet. Etliche weitere Personen, darunter sein Kollege Namir Noor-Eldin, sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot.

So grausam und schockierend die Bilder und Äußerungen auch sind: es ist keineswegs zutreffend, dass sie über die veränderten Formen moderner Kriegsführung aufklären. Zwar bezeugen sie etwa die Verletzung der Genfer Konventionen oder die Willkür von Entscheidungsstrukturen, doch tendieren sie eher dazu über die Situation zu täuschen, die sie zu zeigen vermeinen. Angefangen bei den unbestimmbaren Nachtaufnahmen die als dumpfer Nachhall unserer Erinnerungen den ersten Irakkrieg repräsentieren, bis hin zu den Bordsensoren der Cruise Missiles, die zwar den Zielanflug exakt dokumentieren, das Geschehen nach dem Aufprall jedoch zwangsläufig ausblenden, prägen diese Bilder den Eindruck eines scheinbar transparenten, präzisen und überschaubaren „Engagements“. Im Zeitalter der Bilderkriege müssen deshalb gerade die Formen der Bildproduktion ins Fadenkreuz des Interesses rücken. Dies betrifft nicht nur ihren Kontext (z.B. Embedded Journalism), sondern ebenso ihre spezifische Darstellungsform (Medialität).

Hier zeigt sich, dass eine Interpretation der Bilder und Handlungen ohne die Einbeziehung der sie produziernenden technischen Apparatur unvollständig bleibt. Und genau diesbezüglich ist Collateral Murder eine wichtige Mahnung. Denn die Handlungsentscheidungen der Piloten des involvierten Apache-Kampfhubschraubers basieren auf einem komplexen visuellen Informationssystem, das einige entscheidene Wesensmerkmale der sogenannten „Neuen Kriege“ (Münkler) verdeutlicht (z.B. Assymmetrierung, Technisierung, Distanzierung, Visualisierung): Vor dem rechten Auge des Hubschrauberpiloten befindet sich ein Okularbildschrim, auf dem er zwischen sechs verschiedenen Bildtypen umschalten kann. Es handelt es sich dabei um Visualisierungen digitaler Datensätze, die von den Sensoren des Hubschraubers aufgezeichnet werden (dazu gehört wohl auch das Thermobild, das die Grundlage für das Video bildet). Mit dem linken Auge sieht der Pilot hingegen den natürlichen Ausschnitt seines Gesichtsfeldes. Hier fallen also technischer und natürlicher Blick zusammen und überlagern sich gegenseitig – Otto Karl Werckmeister unterscheidet in seinem Beitrag für die FAZ dementsprechend eine informative von einer operativen Bildsphäre:

„Die operative Bildersphäre lässt digitale Bilder, die eine elektronische Apparatur erzeugt, auf diese zurückwirken, ohne dass Menschen sie je zu Gesicht bekämen. Die informative Bildersphäre ist dagegen für menschliche Augen bestimmt, die in die Funktionsabläufe eingreifen oder sie zumindest kontrollieren. Dabei können die kategorischen Unterscheidungen zwischen Wirklichkeit, Wahrnehmung und Bild verschwimmen.“ Eben diese Differenz zwischen medialer Intervention und unmittelbarer Erfahrung – hier zwischen der abstrakten technischen Visualisierung und dem natürlich Erblicktem – verdeutlicht das Dispositiv des Hightech-Krieges. Es ist vielleicht gerade dieses Verhältnis von Wahrnehmungsformen und medialen Erscheinungsformen, dass zu einem Verstehen (nicht Verständnis) der Transformation des Krieges beitragen kann. (Bild: www.wikileaks.org)

Citizen 2.0

In der Heinrich-Böll-Stiftung waren gestern Dr. Tanja Carstensen (TU Hamburg, Projektleiterin Subjektkonstruktionen und digitale Kultur), Sophie Scholz (Projektleiterin Socialbar) und Dr. Stefan Münker (Uni Basel, Autor von Emergenz digitaler Öffentlichkeiten) zu Gast. Diskutiert wurde über die „Verbindung von Politik und sozialen Medien im Internet“. Wichtig ist dieser Versuch insofern, als dass zunehmend jenseits von ideologischen Polarisierungen und Überwachungsstaat-Rhetorik versucht wird, das Politische am Web 2.0 herauszuarbeiten. Besonders erfreulich ist es zudem deshalb, weil dazu gestern nicht nur Journalisten (Arbeitsplatzbedrohung), Publizisten (Ich-Erschöpfung), Politiker (Vorratsdaten-Speicherung) oder Piraten (Urheberrecht) Stellung bezogen, sondern endlich auch die kulturwissenschaftliche Medienwissenschaft.

Vor allem Stefan Münkers Beitrag hat verdeutlicht, wie wichtig ein medienwissenschaftlicher Beitrag zu einer politischen Soziologie digitaler Medien sein kann, der den Zusammenhang zwischen dem Strukturwandel der Öffentlichkeit und der Beschaffenheit der Kommunikationen in den Mittelpunkt der Debatte rückt. Denn auch das Web 2.0 wird im politischen Diskurs nach wie vor gerne als Instrument behandelt, das als Mittel von Zwecken die politische Form prägt. Den Videomitschnitt der kompletten Veranstaltung gibt es hier.