Bewegungsprofile

Malte Spitz von den Grünen hat die Herausgabe seiner Vorratsdaten bei der Telekom eingeklagt. Lorenz Matzat und Michael Kreil von Open Data City haben die Datensätze ausgewertet und die Geodaten zusätzlich mit Informationen aus dem Leben des Abgeordneten (Twitter, Blogeinträge und Webseiten) verknüpft. Die für Zeit Online entstandene Visualisierung zeigt ein beeindruckend umfassendes Bewegungsprofil der letzten sechs Monate. Ein ähnliches Projekt habe ich vor einiger Zeit auch mal gemacht, allerdings im Prä-iPhone-Zeitalter mit einem GPS-Receiver. Da konnte man seine Geoprofile noch nicht mit coolen Aps visualisieren, sondern das ganze war noch eine Menge Bastelarbeit. Dafür aber auch nicht auf den Sendemast genau, sondern auf den Meter, mit bis zu einem Datensatz pro Sekunde (siehe Bilder 2 & 3). Die Seite ist noch online: http://followme-emw.blogspot.com/.

Der dazu erschienene Artikel „Der Datensatz unter der Lupe“ von Lorenz Matzat thematisiert, was Vorratsdaten zu verraten in der Lage sind und, dass sich daran politische Forderungen anschliessen müssen: „Dieser kurzer Abriss über den Datensatz macht deutlich: Im digitalen und mobilen Zeitalter entstehen permanent Spuren. Wer Zugriff auf sie hat und sich in ihnen auskennt, kann fast alles über die betroffene Person herausfinden. Daraus folgt: In einer Demokratie sollte jedermann jederzeit wissen dürfen, wer welche Informationen über ihn hat. Und sollte bestimmen dürfen, wer darauf wie zugreifen darf.“ Bleibt zu fragen: Welche weiteren Konsequenzen hat diese Ortsbindung digitaler Medien? Wie verändert sich dadurch der Umgang mit den Räumen und Orten unserer Lebenswelt? Wie verändern sich kulturelle Praktiken, wenn Kommunikation zunehmend von einem geomedialen Code informiert wird und wie prägen diese hybriden Räume unsere Interaktionen und Handlungen? Wird die Raumstrukturierung durch Geomedien zur Matrix unseres Alltags? Wie muss man Raumpraktiken und Raumvorstellungen neu denken, wenn die Technologien unserer Objektwelt smart und location-aware werden?

Denn jenseits der Vorratsdatenspeicherung eröffnen ortsgebundene Medien auch eine neue Dimension physisch-sozialer Interaktion, wie die Post-Privacy-Fraktion zurecht anmerkt: ihr Potential Menschen und Objekte zu verbinden und zusammenzuführen, ermöglicht neue Raumerfahrungen. Die Auswertung der geomedial abgetasteten Umwelt macht Raum neu sichtbar und navigiert uns anhand der unseren Profilen entsprechend geflterten und gewichteten Informationen. Diese Form von lokaler Nähe bedient einen Bedarf an raumbezogener Orientierung, der angesichts der Allgegenwärtigkeit und Verfügbarkeit des Digitalen wachsen muss. Location-Awareness macht also auch sichtbar und reorganisiert unsere räumlichen Bezüge.

Ich bin gespannt inwieweit dieses geomediale Dispositiv, das sowohl die Vorratsdatenspeicherung als auch die unzähligen Location-Dienste impliziert, sich zwischen Formen von Kontrolle und Regulierung einerseits und neuen Möglichkeiten räumlicher Interaktion andererseits ausbalancieren lässt. (Bilder: zeit.de, Google Earth)

Social networks, social revolution?

Spannende Diskussion über die Rolle von Social Networks in der letzten Empire-Folge von Marwan Bishara (Al Jazeera Englishs senior political analyst): „Youtube, Facebook and Twitter have become the new weapons of mass mobilisation. Are social networks triggering social revolution? And where will the next domino fall?“. Hochkarätig besetzt mit Carl Bernstein, Amy Goodman, Evgeny Morozov, Emily Bell und Clay Shirky. Interessant finde ich insbesondere die Frage nach dem Trigger: immer wieder wird behauptet, Facebook oder Twitter hätten irgendwelche Proteste „ausgelöst“: das war bereits für die Ukraine und den Iran der Fall, nun in Tunesien oder Ägypten. Ist es nicht merkwürdig, dass sich dieses Mißverständnis immer noch weiter verbreitet? So neu sind die neuen Medien doch nun auch nicht mehr. Die Aura des Revolutionären, die Twitter etwa im Vorspann der Sendung erfährt, halte ich für ebenso falsch, wie die Begriffe trigger oder weapon.

Marcel Weiß hat zu diesem Thema einen überaus lesenswerten Artikel verfasst, in dem er aus Kentaro Toyamas Artikel „Twitter: It Won’t Start a Revolution, But It Can Feed One“ aus The Atlantic zitiert: „Technology magnifies the underlying intent and capacity of people and institutions. But it doesn’t in and of itself change human intent, which evolves through non-technological social forces. […] Successful revolutions are tipping points, which mark the point when the power of capable citizens frustrated with their governments exceeds the will and physical might of a government intent on power. An avalanche’s underlying cause is a flake-by-flake accumulation of snow; similarly, the tipping point of revolution is the culmination of a person-by-person accumulation of frustration and middle-class security. […] Technology can communicate and spread frustration, but it also amplifies government propaganda and misinformation. Technology can accelerate a revolution once it begins, but it can’t feed or educate an enfeebled population to the point of rebellion“. Marcel Weiß zeigt in dem Artikel, wie die Informationsarchitekturen von Facebook und Twitter zwar auf je unterschiedliche Art und Weise zu einem bestimmten Zeitpunkt Kommunikation effizienter gestalten können (etwa indem sie es ermöglichen Gleichgesinnte zu finden), dass ihre Bedeutung aber nicht nur überschätzt, sondern auch falsch bewertet wird, vor allem wenn die Menschen erst einmal „auf der Straße“ sind.

Ähnlich deutlich, aber ungleich pessimistischer kann man das auch in Evgeny Morozovs neuem Buch „The Net Delusion – How not to liberate the World“ nachlesen, in dem er die politischen Erwartungen abkühlt, die auf das revolutionäre Potential des Internets projeziert werden. Auf die Frage nach der Technik-Euphorie erwidert Morozov im Telepolis-Interview: „Es ist einfacher, von einer Twitter-Revolution zu sprechen, als die Widersprüche der iranischen oder chinesischen Gesellschaften wahrzunehmen. In den USA ist die Ansicht weit verbreitet, dass die Menschen in China und dem Iran quasi automatisch rebellieren werden, wenn sie nur genug Kommunikationsgeräte zur Verfügung haben.“ (Bild: Al-Jazeera)

Nach der Zentralperspektive?

Lesenswerter Artikel von Jennifer Allen im Frieze Magazine. Allen fragt sich, ob sich mit der Inflation von Bildern, die Aufsichten zeigen, eine Verlagerung verbindet, bei der das an eine feste Betrachterpostition gebundene Paradigma der Zentralpespektive zugunsten einer mobilen, vom Betrachter unabhängigen Sicht auf die Welt abgelöst wird: „Does this perspective imply more than just a way of seeing the world? I can’t approximate Erwin Panofsky’s Perspective as Symbolic Form (1927), but it’s intriguing to contemplate the differences between Renaissance linear perspective and the zooming celestial eye of our advanced space and information age, marked by satellites, digitalization and the Internet. The Renaissance point of view was a stable and singular one; GPS implies a subject on the move while Google cartography lets the subject choose from a variety of perspectives on destinations the world over. In Google cartography, what is homogeneous and continuous is not space, but travel. We get to every point – near and far – in the same way: on the screen. Even when we arrive, we keep moving around. Perhaps photojournalists have started snapping from above to lend their still photographs a hint of the mobility associated with GPS gadgets, just as artists may have started painting film stills to confound their canvases with movie screens.“ Weiter auf frieze.com.

Imaginäre Topographie

Ich lese Jean Pauls Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch und bin begeistert von den phantastischen Topographien, die der Pilot in seinem Logbuch entwift. Die Magie seiner Einbildungskraft reißt den Menschen heraus aus dem „Gärtchen, der einheimischen Furche“ hoch hinaus in die „Gewölke des Lebens“, von denen man „die ganze äußere Welt von weitem unter seinen Füßen nur wie ein eingeschrumpftes Kindergärtchen liegen sieht“. Die poetischen Entdeckungen der Reise mit dem Luftschiff zeigen das Habitualisierte nicht nur aus der Distanz, sondern als Aufsicht, die neue Figurationen eines erhabenen Blicks etabliert, bei denen der Betrachter „von der Welt geschieden“ wird. Mich fasziniert dabei vor allem die Imaginationsleistung, die eine solch detaillierte Beschreibung eines Blicks erfordert, der von einem menschlichen Auge nicht nachempfunden werden kann. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang Heinz Brüggemanns Aufsatz Luftbilder eines kleinstädtischen Jahrhunderts. Ekstase und imaginäre Topographie In Jean Paul: Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch (In: Graevenitz, 2000, Die Stadt in der europäischen Romantik). Die Erzählung von Jean Paul gibt es auch bei Google Books.

Veranstaltungen: Demokratie, Transparenz und digitale Medien

Zwei interessante Veranstaltungsankündigungen im Rahmen der Transformationen von Demokratie und Transparenz durch digitale Medien: In der Heinrich Böll Stiftung diskutieren Daniel Domscheit-Berg (OpenLeaks.org), Constanze Kurz (CCC) und Konstantin von Notz (MdB, Die Grünen) über „Whistleblowing, WikiLeaks und die neue Transparenz“ und im WZB spricht John Keane (Sidney University) über „Democracy in the Age of Google, Wikileaks  and Facebook“.

» Heinrich Böll Stiftung: Dienstag, 8. Febr. 2011, 20.00 – 22.30 Uhr, Stream via boell.de/mediathek

Aus der Ankündigung: „Durch die Digitalisierung ist die Veröffentlichung geheimer Informationen einfacher geworden: während in den 70ern noch nächtelang Dokumente abfotografiert oder fotokopiert werden mussten, reicht heute ein USB-Stick, um tausende von Dokumenten zu vervielfältigen. Whistleblowing-Plattformen ermöglichen dann die anonyme Verbreitung dieser Informationen. Welche Auswirkungen hat die neue Transparenz auf die Gesellschaft? Wie muss eine ideale Whistleblowing-Plattform aussehen, die nicht die Fehler von WikiLeaks wiederholt? Wie verändert sich der investigative Journalismus durch diese Plattformen? Wie kann zur Förderung öffentlicher Transparenz eine sinnvolle Zusammenarbeit der politischen, gesellschaftlichen und medialen Akteure aussehen?“ Vor allem diese letzte Frage nach den Kooperationen „zur Förderungen öffentlicher Transparenz“  scheint, Wikileaks sei Dank, offenbar auch die Debatte über den Zugang zu öffentlichen Daten zu beflügeln. Denn damit ist nicht nur das Verhältnis von Geheimnis und Öffentlichkeit angesprochen, sondern auch das Problem, inwiefern Teile des als öffentlich deklarierten aufgrund von fehlender Transparenz überhaupt als öffentlich gelten dürfen. Kontroverses dazu ist bei dieser Panelbesetzung allerdings wohl nicht zu erwarten.

» Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung: Mittwoch, 19. Januar 2011, 17-19 Uhr

Aus der Ankündigung: „We live in a revolutionary age of communicative abundance with many media innovations. In the field of politics, hopeful talk of digital democracy, web 2.0, cybercitizens and e-government is flourishing. Too little attention has been paid, though, to the troubling counter-trends, the decadent media developments that encourage concentrations of cunning power without limit, so weakening the spirit and substance of democracy. (…) Echo chambers, rumour storms, Berlusconi-style mass media populism, flat earth news, cyber-attacks, online gated communities, publicity bombs and organised lying and media silence in the face of unaccountable power are trends that also bode ill for democracy.“

Maschinensehen

Sind Blinde in der Lage zu sehen? Oder: welche Rolle spielt der Körper und welche der optische Apparat für das Verstehen von Bildern und Räumen? Sind Kameras künstliche Augen, wie es Andreas Feiningers „Photojournalist“ von 1951 nahelegt? Ja, könnte man meinen wenn man das Werk von Pete Eckert betrachtet: „Pete Eckert is a totally blind person. But through his photography, he proves that he IS a visual person, he just can’t see.“ Womit die Differenz von Visualität und Sichtbarkeit angesprochen wäre, der ich auf die Spur zu kommen gedenke: Zeigen Eckerts Photos einen ins Bild gesetzten Blick?

Postprivacy und die Transparenz der digitalen Revolution

Sie haben wieder einmal für Aufmerksamkeit gesorgt, die geleakten US embassy cables. Und wieder wird diskutiert was die Enthüllungen denn nun wirklich für einen Impact haben. So werden etwa kurzfristige Auswirkungen auf bilaterale Beziehungen sicherlich beobachtbar sein. Die im Zuge der Veröffentlichungen entstehenden Diskussionen münden aber in ein Agenda-Setting, aus dem sich eine wesentlich weitreichendere Debatte ergibt, nämlich die über das zukünftige Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit. So erwartet Florian Rötzer zum Beispiel die Eingrenzung der „Offenheit und Grenzenlosigkeit der digitalen Revolution auf allen Seiten“. Für ihn wird es von nun an zunehmend „darum gehen, Inseln zu schaffen, die außerhalb der digitalen Offenheit stehen. Privat werden wir uns mehr und mehr einigeln oder nur noch strategisch Bedeutsames posten, Unternehmen und Behörden werden nicht nur die Firewalls ausbauen und den Zugriff auf wichtige Informationen einschränken, sondern auch vermehrt vermeiden, überhaupt digitale Daten zu erzeugen. Möglicherweise ist das Zeitalter der digitalen Transparenz so schnell vorbei, wie es eingeläutet wurde. Könnte gut sein, dass Wikileaks zum Vorreiter des digitalen Mittelalters wird.“ (zum Artikel auf Telepolis).

Michael Seemann hingegen fordert, den Verlust der Privatssphäre unbedingt als Chance zu begreifen: dabei geht es aber weniger darum, inwieweit eine Gesellschaft ohne Geheimnisse unbedingt erstrebenswert wäre, sondern zunächst einmal um die Notwendigkeit des Entwurfs einer Postprivacy-Utopie: denn die werden wir brauchen, um unsere Vorstellungen von Öffentlichkeit und Privatheit zu schärfen – ob wir nun wollen oder nicht. Eine solche Vision liefert zum Beispiel der neue Dummy von Blinklichten zum Thema Privatsphäre, der nach den gesellschaftlichen Implikationen und Vorstellungen von Normalität einer sich nach außen stülpenden Privatspähre von übermorgen fragt. Wenig überraschend daran ist, dass es gerade die digital Sozialisierten sind, die ihre Flucht aus dem „Gefängnis Privatsphare“ als neue „Freiheit“ (Sascha Lobo) inszenieren. Zwar ist diese Freiheit ein nicht unwichtiger Baustein einer Postprivacy-Utopie, weil sie mehr digitale Opazität einfordert (siehe z.B. hier). Doch erweist sie sich insofern als vermeintlich, als dass die mit ihr verbundene Vorstellung informationeller Selbstbvestimmung sich bereits heute als zunehmend unrealisierbar herausstellt. Gerade deshalb brauchen wir aber die Auseinandersetzung mit der Utopie: damit sich die Verhätlnisse unseren Begriffen anpassen und nicht umgekehrt! (Bild: Blinklichten Produktionen, Creative Commons BY-NC-SA)

Datavis – Neue Codes für Gedächtnismaschinen

Ich hatte zuletzt im Rahmen des Artikels über Datentransparenz den mangelhaften Zugriff auf öffentliche Daten in Deutschland kritisiert. Im Anschluß daran habe ich mal ein wenig über die sich verändernden Formen und Formate von datenbezogenem Wissen recherchiert, die sich im Zuge einer zugriffsoffeneren Datenlage ergeben haben und dabei einige spannende Projekte entdeckt. Doch zunächst muss man vielleicht etwas vorgreifen um den generellen Zusammenhang zu erfassen, in dem diese Veränderung sich vollzieht. Denn die Technisierung und Digitalisierung aller möglichen Aspekte der Lebenswelt ermöglicht nicht nur einen veränderten Zugriff und Umgang mit Daten, sondern ermöglicht zunächst einmal völlig neue Formen des Abtastens und Erfassens, also der Datenerhebung. Nun fußt die Kritik an der fehlenden Zugriffsoffenheit von Daten vor allem in einer unzureichenden Korrespondenz von Datenerhebung und Datenauswertung. Sprich: wenn immer größere Teile unseres Handelns in Algorythmen übersetzt, als Datensätze gespeichert und zu Proflen decodiert werden, benötigt man entsprechende Strategien um der entstehenden Datenflut zu begegnen. Dies wirft die Frage nach den Werkzeugen und Instrumenten auf, mit denen wir komplexe Datenzusammenhänge darstellen und verstehbar machen können.

Seit ein paar Wochen ist zum Beispiel das Projekt visualizing.org online, das auf die sich ergebenen Probleme der zunehmenden Verfügbarkeit von (öffentlichen) Daten reagiert: „By some estimates, we now create more data each year than in the entirety of prior human history. Data visualization helps us approach, interpret, and extract knowledge from this information. […] We created Visualizing.org because we want to help connect the proliferation of public data… with a community that can help us understand this data… with the general public.“ (visualizing.org). Das Projekt ist als Plattform zur Veröffentlichung von Datenvisualisierungen angelegt, stellt aber gleichzeitig auch die Quellen zur Verfügung, mit denen diese umgesetzt werden (können): besonders gefällt mir zum Beispiel die Darstellung von Flüchtlingsströmen auf der Basis des UNHCR Refugee Report von Christian Behrens (FH Potsdam, niceone.org). Über den Influence Explorer kann man untersuchen, wie unterschiedliche Lobbygruppen die Politik beeinflussen. Bei Google Insights for Search kann man verfolgen wie Youtube und Facebook Sex als prominentere Suchbegriffe ablösen. Gapminder gehört schon zu den älteren Projekten und hat mit der Visualisierung von Daten im Rahmen der United Nations Millenium Development Goals nicht nur große Aufmerksamkeit, sondern auch eine neue „fact based world view“ etabliert.

Insgesamt lässt sich die Thematik in einen Zusammenhang mit der Frage nach einem angemessenen Content Management stellen: die Gedächtnismaschinen, die wir produzieren verlangen nach neuen Ordnungsstrukturen und Darstellungsformen, um nicht dysfunktional zu werden. So stellt etwa Wigley fest: „Content Management […] is the set of protocols that must be introduced when production, distribution and consumption are no longer easily distinguishable. (…) When production is collective, continous, parallel, uneven and deterritorialized while consumtion becomes a kind of authorship, new protocols of access and archiving are needed.“ (Wigley 2008,3 Volume: 10). Einen guten Einblick in die visuelle Epistemik dieser wissenschaftlichen Bilder gibt Dieter Merschs Text „Visuelle Argumente. Zur Rolle der Bilder in den Naturwissenschaften„. (Bilder (c) niceone.org, google)

data.gov

„We will create a new ‚right to data‘ so that government-held datasets can be requested and used by the public, and then published on a regular basis“ heißt es in der Big Society Deklaration der Britischen Regierung. In Anlehung an data.gov, das Obamas erste legislative Amtshandlung war, ging vor knapp einem Jahr data.gov.uk unter der Leitung von Tim Berners-Lee online. Andere Länder sind dem Trend nach mehr Transparenz gefolgt: data.norge.no veröffentlicht sogar unter einer Creative Commons License, ebenso Australien oder Estland. Verändert haben sich seitdem nicht nur die Formen des Zugangs zu den Daten, die Regierungen in unserem Auftrag mit unserem Geld über uns erheben, sondern vor allem die Formen der Darstellung und Nutzung: die neuen medialen Formate die daraus entstehen (z.B. Apps, Mashups, Visualisierungen, RSS-Feeds), stecken zwar noch in Kinderschuhen, haben aber schon jetzt zu einer Renaissance des Lokalen geführt, wie etwa bei everyblock, das mit Hilfe von Geofiltern und auf Basis von data.gov Newsfeeds für die Nachbarschaft anbietet oder dem data.gov.uk-Newspaper, das als Prototyp einer Zeitung für Community-Daten entwickelt wurde. Und in Deutschland?

Obwohl in Deutschland 2006 mit dem Informationsfreiheitsgesetz neben dem Interesse an mehr Information auch ein Recht darauf hinzukam, ist Deutschland in Sachen Datentransparenz  ein Entwicklungsland. Wer zum Beispiel genau wissen will wofür sein Geld ausgegeben wird, muss ewige Zahlenkolonnen auf den Seiten des Bundesfinanzministeriums wälzen – kein offenes maschinenlesbares Format, keine visuell aufbereiteten Daten, jede Menge Fachbegriffe. Wie wenig das Fromat der erfassten Daten im Hinblick auf die Interessen und Bedürfnisse des einzelnen Bürgers geschieht, muss man auch auf der Seite des statistischen Bundesamts feststellen: hier lassen sich zwar jede Menge Informationen suchen, doch lassen sich Datensets auch hier nicht individuell kombinieren, extrahieren, weiterveröffentlichen, filtern usw. – Interaktion funktioniert über das gute alte Telefon oder schriftlich über ein Kontaktformular. Schliesslich vermisst man selbst auf den Seiten des Deutschen Bundestages jeglichen Anhaltspunkt für das Potential im Umgang mit unseren Daten: „Alle im Internetangebot des Deutschen Bundestages veröffentlichten Bilder, Dokumente usw. unterliegen dem Copyright des Deutschen Bundestages“ steht auf der Impressum-Seite… sollte wohl Urheberrecht heißen. Auf data.gov.uk klingt das dagegen so: „Transparency is the heart of this government“.

Der Frage nach dem Geld geht nun, pünktlich zur Verabschiedung des neuen Haushaltentwurfs, das Projekt offenerhaushalt.de nach, das von dem gemeinnützigen Verein Open Data Network betrieben wird. Ähnlich wie Where Does My Money Go? erschließt und visualisiert es die Daten des Bundeshaushalts und ermöglicht auch deren Export in offene Formate. Ich halte es für eine gute Idee, den Bürgern die Auswertung Ihrer Daten selbst in die Hand zu geben (so wie es zum Beispiel in Birmingham gemacht wurde) – sie wissen selbst besser, was sie wissen wollen. Nur müssen dafür natürlich die richtigen Ausgangsbedingungen und Schnittstellen geschaffen werden. In London wird an einem solchen Projekt inzwischen auch auf regionaler Ebene gearbeitet: „We want citizens to be able access the data that the (…) public sector organisations hold, and to use that data however they see fit – free of charge“ heißt es in der entsprechenden Erklärung. Aber der freie Zugriff auf die Daten ist nur die halbe Miete: „Raw data often doesn’t tell you anything until it has been presented in a meaningful way. We want to encourage the masses of technical talent that we have in London to transform rows of text and numbers into apps, websites or mobile products which people can actually find useful.“ Die erfolgsversprechendsten Ansätze finden sich aber bisher wie gesagt auf lokaler Ebene a la fixmystreet. Solche Projekte zeichnen sich nun auch in Deutschland ab: Frankfurt gestalten versucht Bürger über die den lokalipolitischen Diskurs in ihrer Nachbarschaft zu informieren und sie gleichzeitig zu vernetzen und mehr in diesen Prozess einzubinden, indem eigene Initiativen eingebracht werden können. Mal sehen wie sich das Projekt in der Praxis bewährt. (Bilder: Newspaperclub & ITO Labs)

Grand Theft Auto

Ich habe gerade GTA 1 runtergeladen (via rockstargames.com) – mein erster Kontakt mit dem Blick von oben 1997. Man steuert seinen Spieler aus dem Blick einer 2D-Vogelperspektive, also einer Aufsicht, die den ersten GPS-Navigationssystemen ähnelt. Im Gegensatz zu den neueren Versionen spielt man also nicht aus einer 1st-person-perspective, sondern sieht sich quasi selbst von oben. Diese, außerhalb des Spielers verortete Sicht ist eine vollkommen andere Abstraktionsleistung und eine Perspektive, an die wir uns zunehmend gewöhnen dürften. (Bild:  Rockstargames)